Troubles (German Edition)
der ersten Minute bis zum letzten Vorhang«. Und weiterhin verlor die englische Kricketmannschaft haushoch Testspiele in Australien.
Mitte Februar kam eine junge Witwe ins Majestic. Sie hieß Frances Roche. Man konnte sie nicht gerade eine Schönheit nennen, aber sie war eine sympathische junge Frau, vernünftig und bescheiden, die Art Mensch, der man instinktiv vertraut. Ihr Mann war gleich zu Anfang des Krieges gefallen und hatte sie wohlversorgt zurückgelassen, ein Umstand, der ihr im Majestic beträchtliches Prestige verschaffte. Aber sie nützte es nicht aus. Sie war zu der verarmten Miss Bagley genauso freundlich wie zu der wohlhabenden Miss Staveley. Sicher, sie gab Anlass zu einem gewissen Maß an Kritik, weil sie in mancher Hinsicht zum »Modernen« neigte und es ihr an Finesse fehlte. Doch alles in allem nahm man sie freundlich auf.
Mrs. Roche war in Begleitung ihrer Mutter, Mrs. Bates, die in jeder Hinsicht eine ältere, rundere Version ihrer Tochter darstellte, wenn auch weit weniger modern. Allerdings war die Mutter ganz und gar keine gesprächige Person. Sie hörte zu, sie lächelte, aber sie sprach kaum je ein Wort. Doch im Majestic waren die Rednerinnen stets gegenüber den Zuhörerinnen in der Überzahl, und die neue Mrs. Bates (im Gegensatz zu der alten Mrs. Bates, die vor Weihnachten vom Schemel gestürzt und längst in selige Gefilde eingegangen war) war genauso gern gelitten wie ihre Tochter. Aber es war natürlich die Tochter, auf die Edward bald ein Auge warf.
Es dauerte eine Weile, bis der Major darauf kam, was Edward im Schilde führte; zum einen, weil es für ihn unvorstellbar war, dass ein Mann, der bei Sinnen war, Mrs. Roche, so bezaubernd sie auch war, Sarah vorziehen könnte – doch dann fiel ihm die höhnische Bemerkung wieder ein, deren Zeuge er geworden war, und er kam zu dem Schluss, dass Edward es als Herausforderung sah –, zum anderen aber auch, weil Edward eine kuriose Art hatte, um sie zu werben; seine Avancen waren so diskret, dass kaum jemand außer ihm selbst sie wahrnehmen konnte. Zum Beispiel blieb er gegenüber Mrs. Roche zurückhaltend und formell, verwickelte jedoch ihre Mutter in lange Unterhaltungen, die sich – da Mrs. Bates sich stets nur ein gelegentliches Lächeln oder zustimmendes Nicken gestattete – schnell in hektische Frage-und-Antwort-Spiele verwandelten, in denen Edward beide Rollen übernahm. »Ah, ich sehe, das Gemälde dort interessiert Sie«, sagte er zum Beispiel, wenn Mrs. Bates einmal anderswohin sah. »Es zeigt König Wilhelm beim Übergang über den Boyne nach der berühmten Schlacht … der Qualm im Hintergrund und so weiter …« Dann kopfschüttelnd: »Sie werden sich fragen, warum das alles sein musste, nur um des Glaubens willen. Und ich muss Ihnen sagen, ich verstehe es auch nicht. Wir sollten Boy O’Neill fragen. Der weiß alles über solche Sachen.« »Ist der Winter in Kilnalough immer so streng? Lassen Sie mich überlegen: also wenn ich mich recht entsinne, war es letztes Jahr und das Jahr davor …« Und so weiter.
In letzter Zeit war Edward kaum noch zum Abendessen erschienen. Meistens aß er irgendwo von einem Tablett auf den Knien, mit dem Murphy durchs Hotel irrte, bis er ihn fand. Doch nun war er wieder regelmäßig zugegen, und es dauerte nicht lange, bis er sich angewöhnte, Mrs. Roche einen Platz am anderen Ende des Tisches anzuweisen, an dem er selbst saß, wozu er die alte Mrs. Rappaport ans Fußende des Majorstisches umquartieren musste. Natürlich saßen sie zu weit auseinander, um sich zu unterhalten, aber man musste sich ja nur den Rang des Platzes vor Augen führen – jeder an einem Ende der Tafel! Es sah dermaßen nach
en famille
aus, dass es Edward offenbar schon peinlich war, dass er seine Absichten so offensichtlich machte; und umso mehr staunte er, als Frances Roche allem Anschein nach nichts davon bemerkte und freundlich mit den alten Damen rechts und links plauderte, wie sie es von Anfang an getan hatte. Keinerlei Anzeichen von Erröten, von schwindenden Sinnen oder schmachtenden Blicken (ganz im Gegensatz zu den Blicken, die ihm einige der alten Damen zuwarfen; davon wäre die Milch sauer geworden). War Mrs. Roche eine einfältige Person?, hätte Edward sich fragen können. Als Mann der Wissenschaft hätte er natürlich wissen müssen, dass die Reaktionen der jungen Damen, physiologisch gesehen, nicht mehr die gleichen waren, die er als junger Mann gekannt hatte: heutzutage fiel keine mehr in einem
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