Troubles (German Edition)
schäumende Kaskade ergoss sich über diese Treppe und weiter hinab in Kellerräume, die er nie betreten hatte. Allerlei Treibgut glitt sanft die Stufen hinunter: Holzstückchen, ein buntes Marienbild, Stofflappen, die ebenso gut Unterwäsche wie Zierdeckchen sein konnten, ein durchweichter Teddybär.
Weinend und frierend saß ein junges Mädchen in Zimmermädchenuniform bis auf die Haut durchnässt und bis zu den Knöcheln im Wasser auf der Treppe. Da sie sich weigerte, aufzustehen, hatte der Major, immer noch in seiner Öljacke, sie hochgehoben und nach hinten und die andere Treppe hinunter in die Küche getragen, die zum Glück immer noch warm und trocken war, und sie dort kommentarlos auf dem Küchentisch abgesetzt, vor den weit aufgerissenen Augen der verdutzten Köchin (die noch nie eine allzu hohe Meinung von der Moral und der geistigen Gesundheit des Majors gehabt hatte). Weiß der Himmel, was sie gedacht hatte!
Er beschrieb Miss Bagley die einschlägigen Teile dieses Erlebnisses, ebenso Miss Johnston, Miss Devere (nach einem kurzen und unbefriedigenden Flirt mit der Außenwelt reumütig ins Majestic zurückgekehrt) und Mrs. Rice, die ähnliche Klagen vorgebracht hatten. Und er lauschte aufmerksam, als sie entrüstet fragten, ob denn künftig das Recht des Stärkeren gelte, ob Gäste sich fortan mit den Dienstboten um die Benutzung der Badezimmer und andere Annehmlichkeiten streiten müssten. Nein, das natürlich nicht, versicherte er, aber gewiss wollten sie doch nicht, dass die armen Dienstboten unter freiem Himmel übernachteten und sich dabei womöglich eine Lungenentzündung holten (obwohl sie, wie die rasch herbeigeeilte Miss Staveley zu bedenken gab, »nur Dienstboten« waren).
Selbstverständlich
handele es sich um eine befristete Maßnahme, bis das Dach des Dienstbotenflügels wiederhergestellt sei. Aber sie wussten, und er wusste es auch, dass dieses Dach bis ans Ende ihrer Tage nicht repariert würde – was seiner Darstellung einiges an Überzeugungskraft nahm.
Und die ganze Zeit über, selbst wenn er dem beruhigenden Klang seiner eigenen Stimme lauschte, spürte er bei jedem Lächeln die unglaubliche Trägheit der schmerzenden Muskeln und konnte den Gedanken daran, wie Bolton und Sarah sich in diesem Augenblick liebten, nicht aus seinem Kopf verbannen. Aber vielleicht hatte der Schmerz, den ihm diese Vorstellung zufügte, auch sein Gutes. Er half ihm, die schwärenden Gefühle auszubrennen. Anfangs stellte er sich vor, wie Sarah mit brutal gespreizten Schenkeln Gewalt angetan wurde – aber später trat er, erschöpft von so viel Anteilnahme, seiner Schwäche hart entgegen und sagte sich schroff: »Hör mal, sie würde es nicht tun, wenn es ihr keinen Spaß machen würde!«
Zugegeben, Sarah war eine Frau. Also war sie körperlich für den Umgang mit Männern ausgerüstet. Niemandem wurde Gewalt angetan, außer dem Major und seinen Gefühlen.
Auf dem Weg ins Bett landete der Major, der mittlerweile in so vielen verschiedenen Zimmern des Majestic genächtigt hatte, dass er oft vollkommen verwirrt war, geistesabwesend an der Tür zu dem, das er bis vor ein paar Tagen bewohnt hatte. Zu seinem Erstaunen erblickte er ein junges Mädchen, das im Kerzenschein nackt am Waschbecken stand. Wie selbstverständlich drehte sie sich um und lächelte den überraschten Major an – der mit einer hastig gemurmelten Entschuldigung die Flucht ergriff. Offenbar gab es einen neuen Gast im Hotel, jemanden, dem er noch nicht begegnet war! Aber das war doch unmöglich, denn dieser Tage erhielten die Dienstboten ihre Anweisungen direkt von ihm. Er fand den Zwischenfall überaus verwirrend.
Erst nachdem er sein Zimmer erreicht hatte (diesmal das richtige), ging ihm auf, wer dieser neue Gast sein musste. Es war schlicht und einfach eins von den Zimmermädchen, die aus dem Dienstbotenflügel hatten ausziehen müssen. Genau darüber hatte er den ganzen Abend mit den alten Damen geredet.
Später im Bett überlegte er: »Sie hätte ebensogut eine Dame sein können … Natürlich sehen alle Menschen ohne Kleider gleich aus. Sie sehen nicht anders aus als wir.« Und er erinnerte sich, dass er im Krieg einmal überlegt hatte, wie, ohne alle Rangabzeichen, ein toter Leib dem anderen glich … und … und …
Diese demokratischen Gedanken wirkten offenbar beruhigend, denn bald fühlte er sich schläfrig. Aber selbst jetzt, wo er, die Hände in den Taschen, friedlich durch das hohe, wogende Gras des Schlafes wandelte,
Weitere Kostenlose Bücher