Troubles (German Edition)
einmal begegneten, würde dieser Groll ihn (wohl gegen seinen eigenen Willen) daran hindern, freundlich zu sein. Natürlich würde sein Zorn allmählich nachlassen und nichts als Gleichgültigkeit zurückbleiben, die es dann wiederum erlaubte, freundlich zu sein; aber nur unter einer bestimmten Bedingung würde er verschwinden: dass er sie nicht mehr liebte. Seine einzige Hoffnung auf Erfolg hing also davon ab, dass er keinen Erfolg mehr haben wollte! Eine hässliche, wenn auch keineswegs ungewöhnliche Situation in dem Spiel, dessen Regeln der Major unter so großen Schmerzen lernte.
Obwohl er sich nach Kräften mühte, nicht an sie zu denken, indem er sich den zahlreichen anderen Dingen widmete, die unter dem Dach des Majestic für Unruhe sorgten, tauchte sie doch unvermittelt in schmerzlichen Gedanken auf, die ihn mit spitzen Krallen aus dem verborgenen Schlupfwinkel in seinem Kopf ansprangen, wohin er sie verbannt hatte.
Welcher Gentleman würde einem Mädchen ›eins über die Rübe‹ geben?, fragte er sich verständnislos, während er gleichzeitig mit der Untersuchung eines wirklich beunruhigenden Risses beschäftigt war, den er in der Wand des Schreibzimmers hinter dem verblassten Gobelin entdeckt hatte. Aber wer weiß, vielleicht war dieser Riss schon seit Jahren dort! Und welches Mädchen würde zulassen, dass man ihr wiederholt »eins über die Rübe« gab? Er fand das alles unbegreiflich, sowohl den Mann als auch das Mädchen (und, wenn er es überlegte, den Riss in der Wand ebenfalls). Er konnte es einfach nicht verstehen. Er versuchte sich vorzustellen, wie er einem Mädchen eins über die Rübe gab; aber eher konnte er sich vorstellen, dass er auf einen Baum flatterte und wie eine Amsel sang.
Später, als er, Hände missmutig in den Jackentaschen vergraben, neben dem Torpfosten am Ende der Auffahrt stand und zu dem Schild aufblickte, das Edward dort angenagelt hatte: AUF UNBEFUGTE, DIE SICH AM STANDBILD VON KÖNIGIN VIKTORIA ZU SCHAFFEN MACHEN, WIRD OHNE VORWARNUNG GESCHOSSEN, und dachte: »Jetzt hat er vollkommen den Verstand verloren! Er will sie herausfordern!« – während er also dieses trotzige, leichtsinnige Schild betrachtete, ging ihm durch den Kopf: »Aber wie oft sieht sie andere Männer an? Wie oft bekommt sie ›eins über die Rübe‹? Wird ihr Verstand Schaden davon nehmen?« Und seine Gedanken wanderten weiter, kraftlose Invaliden, so als sei er tatsächlich krank gewesen (und vielleicht war er ja auch krank), immer im Kreis wie müde Tiere in einer Zirkusmanege … bis sie schließlich zum Ausgang kamen (der dem Eingang erstaunlich ähnlich war) und er zu dem Schluss, dass es mit Sicherheit niemandem guttat, wenn er immer wieder einen Schlag auf den Kopf bekam.
Aber das war es ja gar nicht… Es war der Grad der Vertrautheit, der ihm zusetzte. Sarah am Boden in einem Restaurant, weil sie beim Oberkellner mit den Wimpern geklimpert hatte; Sarah am Boden zwischen Teetassen bei einem Gartenfest des Vizekönigs, weil sie einem jungen Offizier tief in die Augen geblickt hatte; Sarah am Boden in Jurys Hotel, weil sie aus dem Fenster geschaut hatte … Matt und gewissenhaft versorgte ihn sein Verstand mit einer Vielzahl solcher Bilder. Und immer waren sie zusammen, Bolton und Sarah, und immer war er ausgeschlossen (jeder Versuch sich auszumalen, wie er in den Ring trat, um Bolton mit einem klassischen Kinnhaken in seine Schranken zu verweisen, erwies sich als hoffnungslos). Bolton und Sarah …
Spät am Abend, als er sich geduldig Miss Bagleys Beschwerde darüber anhörte, dass jetzt ein Dienstmädchen in das Zimmer neben dem ihren eingezogen war und die Köchin in das gegenüber, kam ihm in den Sinn, dass sehr wahrscheinlich just in diesem Augenblick Sarah und Bolton sich anschickten, zusammen ins Bett zu gehen. Seine Stimmung sank noch ein weiteres Stück, und die Gesichtsmuskeln waren wie betäubt von Verzweiflung; der Schnurrbart fühlte sich so schwer an, als trüge er auf seiner Oberlippe ein Geweih. Trotzdem erklärte er der entrüsteten Miss Bagley geduldig, dass der Dienstbotenflügel unbewohnbar sei: das Dach sei so glatt an der Kante abgetragen wie die Kappe, die man einem gekochten Ei abschlägt.
Bei der Rückkehr von der Sporthalle hatten sich seine wassernassen Fußspuren von Edwards blutigen gelöst, und er hatte seine beklommenen Schritte durch schummrige Korridore in Richtung Untergeschoss gelenkt, wo sie jedoch am Oberende der Treppe innehalten mussten. Eine
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