Troubles (German Edition)
eines Holzes fiel ihm etwas auf, was er zuerst für einen Schläger ohne Kopf hielt – doch nein, es war der Lauf einer Flinte.
»Keine halben Sachen, was?«
»Ich merke schon, Sie haben die Zeitung nicht gelesen, Major. Vor ein paar Tagen sind Männer aus der Army auf einem Golfplatz niedergeschossen worden … unbewaffnete Männer. Die hatten keine Chance da draußen, keine Deckung, kein Mensch in der Nähe. Die Shinner sind tapfere Burschen, wenn der andere keine Waffe hat. Aber wenn man bewaffnet ist, dann laufen sie wie die Hasen.«
Der Major warf dieser Tage nur noch einen flüchtigen Blick in die Zeitungen; er hatte es aufgegeben, etwas begreifen zu wollen, was nicht zu begreifen war, einen Krieg ohne Schlachten und ohne Front. Warum sollte man sich mit den Einzelheiten abgeben: den Überfällen auf der Jagd nach Waffen, den erschossenen Polizisten, den Drohungen? Was konnte man aus den einzelnen Bestandteilen eines solchen Chaos schon lernen? Von Zeit zu Zeit bemerkte er aber dann doch – und war immer wieder neu schockiert –, dass die Lage sich verändert hatte, und jedes Mal war sie ein wenig schlimmer geworden.
Nachdem er sich an der bestürzten Miene des Majors geweidet hatte, versicherte ihm O’Neill seelenruhig, dass kein Grund zur Sorge bestehe. »Das alles wird sich binnen fünf, sechs Wochen geklärt haben, glauben Sie mir.«
»Wer sagt das?«, fragte der Major erwartungsvoll, denn er glaubte, O’Neill wisse mehr. »Zwei Gründe«, verkündete O’Neill. »Erstens: Aus England kommt Verstärkung mit dieser neuen Rekrutierungskampagne. Zweitens: Das Wesen des irischen Volkes. Iren sind aufbrausend, aber sie nehmen nichts lange übel. Es sind nämlich herzensgute Menschen. Außerdem sind sie einfach zu untüchtig, um aus eigenen Kräften etwas zu erreichen … Ich spreche, wohlgemerkt, von den Südiren; in Ulster, da sieht es ganz anders aus. Und die großen politischen Führer in Irland sind immer Engländer gewesen; schauen Sie sich Parnell an.«
»Sicher, da haben Sie recht«, stimmte der Major zweifelnd zu. »Es kann nicht mehr lange so weitergehen. Das haben wir in den Schützengräben auch immer gesagt«, fügte er mit dem Anflug eines Lächelns hinzu.
»Ganz genau, ganz genau«, sagte O’Neill, der den ironischen Tonfall des Majors nicht bemerkte. »Darauf gebe ich Ihnen mein Wort. Ich habe gerade ein Gläschen mit den jungen Militärs getrunken, die wir jetzt hier haben, und ich glaube nicht, dass die sich viel von Schweinchen Paddy gefallen lassen.«
»Sie meinen die Männer, die im Majestic wohnen? Ich dachte, die geben sich mit uns Einheimischen gar nicht ab.«
»Das sind Prachtkerle, glauben Sie mir«, versicherte ihm O’Neill, der nun seine dicke Jacke auszog und weniger Anstalten denn je machte zu gehen. »Sie wissen nur einfach nicht, wem sie hier trauen können, und ehrlich gesagt, das kann ich ihnen nicht verdenken. Kommen Sie mit an die Bar, dann stelle ich sie Ihnen vor.«
»Danke, aber ich weiß nicht …«, wandte der Major ein, doch O’Neill war schon aufgesprungen und winkte gebieterisch mit einem Unterarm dick wie eine Lammkeule. Widerstrebend folgte der Major ihm. Die Nägel von O’Neills Schuhen klickten auf dem gefliesten Boden des Korridors und gruben sich in das abgeschabte Holz der Umkleide, wo ein fetter nackter Gentleman sich beherzt den schwabbeligen Hintern frottierte. Von dort ging es in die Bar für Clubmitglieder.
»Einen Augenblick bitte«, sagte der Major. »Da ist jemand, den ich kurz begrüßen muss.«
Beflissen und adrett kam Mr. Devlin auf ihn zugeeilt. Es sei ihm eine Freude, dass der Major zu ihnen zurückgekehrt sei, und er müsse ihm unbedingt danken für die freundliche Art, wie er seine Tochter Sarah auf ihrem Weg nach Frankreich bei sich beherbergt habe und wie es denn der lieben Tante des Majors gehe, die ebenfalls so freundlich gewesen sei … (»Ach, verstorben? Das tut mir aber leid.«) Und der Major selbst, erfreue er sich besserer Gesundheit als zuvor? Das müsse ihm ja viel Sorgen und großen Kummer bereitet haben, seine liebe Tante zu verlieren … Und was Sarah anbetreffe, die werde nun bald zurückkehren, und er sei sicher, sie freue sich genauso darauf, den Major wieder zu begrüßen, wie er es tue, und außerdem würden sie beide sich von nun an wohl häufiger hier auf dem Golfplatz sehen, denn er habe hier »eine kleine Aufgabe« … Erwartungsvoll hielt er inne.
»Oh?«
Ja, er werde von nun an am Abend häufig hier
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