Troubles (German Edition)
dass man Irland dieser Tage als besonders friedlich empfunden hätte. Als er ein oder zwei Tage später am Prinzgemahlflügel vorüberkam, flog mit einem Regen aus glitzernden Glassplittern ein Fenster heraus, ein lachendes Gesicht erschien im Rahmen und eine Hand wurde herausgestreckt, um zu prüfen, ob es regnete. Manchmal hörte man an den langen Sommerabenden Pistolenschüsse und Gelächter; Edward hatte in der Lichtung hinter dem Torhaus, an dem die I.R.A. ihr Plakat angeschlagen hatte, einen Schießplatz angelegt. Binnen Kurzem hatte die Bekanntmachung sich im Kugelhagel aufgelöst, sie hing in Fetzen und war nicht mehr zu entziffern. Einmal fand der Major am Wiesenrand ein totes Kaninchen. Das Tier war von Kugeln durchlöchert.
Kein unbekanntes Kaninchen, sondern eines, das der Major gern gehabt hatte. Es war alt und fett gewesen, doch in seiner Jugend hatten die Zwillinge, damals selbst noch klein, es halb gezähmt. Natürlich verloren sie das Interesse, als sie größer wurden, und fütterten es nicht mehr. Das Kaninchen hingegen hatte die guten Tage der Mohrrüben und des Löwenzahns nicht vergessen. Im Laufe der Zeit war es dünner und dünner geworden, aber es war doch immer wieder am Waldrand entlanggestrichen wie ein verstoßener Liebhaber. Das arme Kaninchen! Gerührt und wütend (aber die »Männer, die in den Gräben gestanden hatten« sollten nie erfahren, dass dies kein wildes Kaninchen gewesen war) begab der Major sich zu den Zwillingen, um ihnen die Nachricht zu überbringen; sie waren bei den Tennisplätzen und wollten Séan Murphy überreden, ihnen mit dem Standard das Autofahren beizubringen (obwohl Edward es untersagt hatte, bis sie älter waren). Die beiden waren nicht so betroffen wie der Major erwartet hatte.
»Können wir es essen?«, wollten sie wissen.
»Es ist schon begraben.«
»Wir könnten es wieder ausgraben«, schlug Faith vor. »Heißt es nicht, Kaninchenpfoten bringen Glück?«
Aber der Major antwortete, er wisse nicht mehr, wo das Grab sei.
»Waren die Schusslöcher schlimm?«
»Wie meinst du das? Für das Kaninchen waren sie schlimm.«
»Nein, ich dachte nur, vielleicht hätten wir einen Pelzhut daraus machen können«, sagte Charity, »wenn nicht zu viele Löcher drin waren.«
»Sagen Sie, Brendan, Sie sind nicht zufällig gut im Rechnen, oder? Daddy hat diesen grässlichen Menschen, den Hauslehrer, auf uns gehetzt, und jetzt droht er damit, dass er sich unsere korrigierten Hefte ansehen will.«
»Fragt Mr. Norton. Der soll doch in solchen Sachen gut sein.«
Mr. Norton war ein Mann in den Siebzigern, der seit Kurzem Gast im Majestic war, und es ging das Gerücht, von ihm selbst in Umlauf gebracht, dass er einmal ein Mathematikgenie gewesen sei, jedoch in seiner Jugend Kraft und Vermögen aus Schwäche für schöne Frauen vergeudet habe.
»Das haben wir schon …«
»Aber er will immer, dass wir uns bei ihm auf den Schoß setzen, als ob wir noch Kinder wären.«
»Und er riecht schrecklich aus dem Mund.«
Jetzt, wo die Empire-Bar ganz von der Katzenkolonie okkupiert war, nahm der Major manchmal am Abend einen von Edwards Wagen und fuhr nach Kilnalough, um im Golfclub ein Glas zu trinken. Dort traf er eines Abends Boy O’Neill, den Anwalt, der ihn wie einen alten Freund begrüßte, obwohl fast ein Jahr vergangen war, seit sie sich bei der Friedensparade zuletzt gesehen hatten. O’Neills Erscheinung hatte sich dramatisch verändert, und der Major erkannte den furchtsamen, hageren Invaliden, den er bei Angelas Teegesellschaft kennengelernt hatte, kaum noch in ihm wieder. In dem weiten Tweedjackett mit den prallen Taschen wirkte O’Neill aufgedunsener und aggressiver denn je. Es steckte eine unterschwellige Gereiztheit in dem Mann, durch die man sich immer irgendwie bedroht fühlte, wenn man mit ihm redete; man hatte das Gefühl, dass O’Neill jederzeit endgültig den Verstand verlieren und eine Unterhaltung mit einem Kinnhaken beenden konnte. Der Major sah, wie die dicken Kiefermuskeln sich beim Reden anspannten; O’Neill hatte gerade achtzehn Bahnen hinter sich und hatte sich, wie er verkündete, im Leben nie besser gefühlt. Eine heiße Dusche, ein Drink, und jetzt war er auf dem Nachhauseweg zu einem guten Essen. Er nahm die klimpernde Golftasche von der Schulter und hievte sie auf einen Sessel; offenbar hatte er es mit dem Nachhausekommen nicht eilig. Der Major betrachtete die Tasche, und zwischen einem Eisen Sieben, einem Jigger und dem klobigen Kopf
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