Trübe Wasser sind kalt
das Holz auf und trug es ins Wohnzimmer, während Lucy und ich unser e Aufmerksamkeit wieder dem Abendessen zuwandten. Ich war mir gar nicht mehr sicher, ob ich etwas essen konnte, so angespannt war ich. Ich goß mir noch ein Glas Wein ein und versuchte, den Eindringling als zufälligen Gast abzutun, jemand, der harmlos umherirrte, weil er Schnee oder gar nächtliches Tauchen liebte.
Aber ich wußte es besser, behielt meine Waffe in Reichweite und schaute häufig aus dem Fenster. Ich fühlte mich bedrückt, als ich die Lasagne in den Backofen schob. Ich nahm den Parmesan aus dem Kühlschrank und rieb ihn. Danach legte ich Feigen und Melonenscheiben auf die Teller und dazu ordentlich Prosciutto für Marino. Lucy machte Salat, und eine Zeitlang werkelten wir stumm vor uns hin.
Als sie schließlich zu reden anfing, klang sie nicht glücklich. »Du bist da echt in etwas hineingeraten, Tante Kay. Warum passiert dir immer so etwas?«
»Wir dürfen unserer Fantasie nicht die Zügel schießen lassen«, sagte ich.
»Du bist hier draußen allein in einer gottverlassenen Gegend, ohne Alarmanlage und mit Schlössern, die so schwach wie Dosenblech sind…«
»Hast du den Champagner schon kalt gestellt?« unterbrach ich. »Es ist bald Mitternacht. Die Lasagne braucht nur etwa zehn Minuten, vielleicht fünfzehn, wenn Dr. Mants Herd nicht so wie alles andere hier funktioniert. Dann könnte es bis nächstes Jahr um diese Zeit dauern. Ich habe nie verstanden, warum die Leute Lasagne stundenlang brutzeln lassen. Und dann wundern sie sich, daß alles zäh wie Leder ist.«
Lucy blickte mich an, ließ ihr Zwiebelmesser neben eine Salatschüssel sinken. Sie hatte genügend Sellerie und Karotten geschnitten, um ein Orchester zu bewirten.
»Eines Tages werde ich wirklich mal Lasagne coi carciofi für dich machen. Mit Artischocken, und statt Marinara kommt Béchamel rein…«
»Tante Kay«, schnitt sie mir ungeduldig das Wort ab. »Ich mag es nicht, wenn du so was tust. Und ich lasse es auch nicht zu. Momentan kümmert mich die Lasagne einen Dreck. Du hast heute früh einen seltsamen Anruf erhalten. Dann gab es eine n bizarren Todesfall, und Leute haben dich am Tatort verdächtig behandelt. Und heute nacht hattest du einen Eindringling, der womöglich einen verdammten Taucheranzug getragen hat.«
»Es ist nicht wahrscheinlich, daß der Kerl zurückkommt. Wer es auch war. Es sei denn, er will es mit uns dreien aufnehmen.«
»Tante Kay, du kannst hier nicht bleiben«, sagte sie. »Ich muß Dr. Mants Bezirk mit übernehmen, und das kann ich nicht von Richmond aus«, sagte ich zu ihr, während ich wieder aus dem Fenster über der Spüle blickte. »Wo ist Marino? Fotografiert er noch draußen?«
»Er ist schon vor einer Weile reingekommen.« Ihre Enttäuschung war so spürbar wie ein aufziehendes Gewitter. Ich ging ins Wohnzimmer und sah, daß er auf der Couch eingeschlafen war, doch das Feuer loderte. Meine Augen wanderten zu dem Fenster, aus dem Lucy geschaut hatte, und ich ging dorthin. Hinter kaltem Glas schimmerte der verschneite Garten schwach wie unter einem fahlen Mond und war mit elliptischen Schatten, die unsere Füße hinterlassen hatten, betüpfelt. Die Mauer war dunkel, und ich konnte nicht über sie hinaussehen, wo grober Sand ins Meer strudelte.
»Lucy hat recht«, ertönte Marinos verschlafene Stimme in meinem Rücken.
Ich wandte mich um. »Ich dachte, dich hätte es umgehauen.«
»Ich höre und sehe alles, auch wenn es mich umgehauen hat«, sagte er. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. »Mach, daß du schleunigst von hier wegkommst. Das ist mein Rat.« Er richtete sich mühsam auf. »Es geht nicht, daß du hier in diesem Kasten mutterseelenallein bleibst. Wenn etwas passiert, hört niemand dich schreien.« Seine Augen fixierten mich.
»Bis dich jemand findet, bist du gefriergetrocknet. Wenn dich nicht vorher noch ein Hurrikan aufs Meer hinausweht.«
»Genug«, sagte ich.
Er nahm seine Waffe vom Teetisch, stand auf und steckte sie sich hinten in die Hose. »Du könntest doch einen deiner anderen Ärzte hierherschicken und ihn Tidewater übernehmen lassen.«
»Ich bin die einzige, die keine Familie hat. Ich bin beweglicher, besonders um diese Jahreszeit.«
»Was für ein Riesenschwachsinn. Du brauchst dich nicht dafür zu entschuldigen, daß du geschieden bist und keine Kinder hast.«
»Ich entschuldige mich nicht.«
»Es geht ja auch nicht darum, daß du jemanden bittest, für sechs Monate umzuziehen.
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