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Trügerische Ruhe

Trügerische Ruhe

Titel: Trügerische Ruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Lincoln, »erwähnten Sie die Penobscot-Indianer. Sie sagten, sie hätten sich nie irgendwo in der Nähe des Locust Lake niederlassen wollen.«
    »Ja. Das Gebiet war tabu, genau wie der untere Teil von Beech Hill, wo der Meegawki fließt. Sie hielten es für eine ungesunde Gegend.«
    »Wissen Sie, weshalb sie so dachten?«
    »Nein.«
    Lincoln überlegte einen Moment. »Der Name Meegawki – ich nehme an, das ist ein Wort aus der Penobscot-Sprache?«
    »Ja. Es ist eine Verballhornung von Sankade’lak Migah’ke, wie die Gegend in ihrer Sprache heißt. Sankade’lak bedeutet frei übersetzt ›Fluß‹.«
    »Und dieses andere Wort – was bedeutet das?«
    »Da muß ich noch mal nachschlagen.« Vince drehte den Stuhl und nahm ein zerfleddertes Buch mit dem Titel Die Sprache der Penobscot vom Regal. Rasch hatte er die entsprechende Seite gefunden. »Okay. Mit Sankade’lak lag ich richtig. Es ist das Wort für ›Fluß‹ oder ›Bach‹.«
    »Und das andere?«
    » Migah’ke bedeutet ›kämpfen‹ oder ...« Vince brach ab. Er sah Lincoln an. »›Niedermetzeln‹.«
    Sie starrten einander in die Augen. »Das würde das Tabu erklären«, sagte Lincoln leise. Vince schluckte. »Ja. Es ist der Fluß des Gemetzels.«

17
    »Fettarsch«, flüsterte J.D. Reid von den Posaunen herüber.
    »Barry hat einen Fettarsch!«
    Noah sah von seinem Notenblatt auf und warf einen verstohlenen Blick auf seinen Nachbarn, Barry Knowlton. Der arme Tropf hielt sein Saxophon fest umklammert und versuchte krampfhaft, im Takt zu bleiben, aber sein Gesicht war schon knallrot, und er schwitzte wieder einmal – wie immer, wenn er unter Streß stand. Barry Knowlton schwitzte in der Turnhalle. Er schwitzte, wenn er französische Verben konjugieren mußte. Er schwitzte, wenn ein Mädchen ihn auch nur ansprach. Zuerst wurde er rot, dann erschienen kleine Schweißperlen auf seiner Stirn und seinen Schläfen, und im Handumdrehen zerfloß Barry wie eine Eiskugel in einer Hitzewelle.
    »Mann, dieser Arsch ist so fett, wenn man den ins All schießen würde, hätten wir einen neuen Mond!«
    Ein Schweißtropfen rollte über Barrys Gesicht und tropfte auf sein Saxophon. Er hielt das Instrument so fest, daß seine Finger weiß wie Knochen waren.
    Noah drehte sich um und sagte: »Hör auf, ihn zu piesacken, J.D.!«
    »Oh, jetzt ist Schrumpfarsch eifersüchtig, weil sich nicht alles um ihn dreht. Ich habe vielleicht eine Aussicht von hier hinten. Fettarsch und Schrumpfarsch, Seite an Seite.«
    »Ich hab gesagt, hör auf!«
    Der Rest der Band hatte plötzlich aufgehört zu spielen, und Noahs Hör auf! tönte wie ein Schrei in die abrupte Stille.
    »Noah, was geht da hinten vor?«
    Noah drehte sich wieder nach vorne und begegnete Mr.Sanborns erzürntem Blick. Mr.Sanborn war ein cooler Typ, sogar einer von Noahs Lieblingslehrern, aber der Mann war blind, wenn es darum ging, zu erkennen, was in seiner eigenen Klasse passierte.
    »Noah versucht, einen Streit anzufangen«, sagte J. D.
    » Was? Er ist derjenige, der Streit anfangen will!« protestierte Noah.
    »Da bin ich aber anderer Meinung!« höhnte J. D.
    »Er gibt einfach keine Ruhe! Dauernd macht er diese blöden Bemerkungen!«
    Mr. Sanborn verschränkte gelangweilt die Arme. »Was für Bemerkungen, wenn ich fragen darf?«
    »Er hat gesagt – er hat gesagt –« Noah brach ab und sah Barry an, der geladen war wie eine Bombe kurz vor der Explosion. »Es waren Beleidigungen.«
    Zum Entsetzen der ganzen Klasse versetzte Barry dem Notenständer urplötzlich einen Fußtritt, worauf dieser scheppernd zu Boden fiel und die Notenblätter wild umherflogen.
    »Er hat mich Fettarsch genannt! So hat er mich genannt!«
    »He, seit wann ist es eine Beleidigung, wenn man die Wahrheit sagt?« rief J. D.
    Der Probenraum brach in Gelächter aus.
    »Hört auf!« schrie Barry. »Hört endlich auf, mich auszulachen!«
    »Immer mit der Ruhe, Barry.«
    Barry wandte sich zu Mr. Sanborn. »Sie tun doch nie was! Niemand tut was! Sie lassen zu, daß er mich blöd anmacht, und keiner kümmert sich einen Dreck darum!«
    »Barry, du mußt dich beruhigen. Geh bitte raus auf den Gang, bis du dich abgeregt hast.«
    Barry knallte sein Saxophon auf den Stuhl. »Besten Dank, Mr. Sanborn!« sagte er und ging hinaus.
    »Oha. Der Vollmond geht unter«, flüsterte J. D.
    Noah verlor endgültig die Geduld. »Halt die Klappe!« schrie er. »Halt bloß die Klappe!«
    »Noah!« rief Mr.Sanborn und schlug mit seinem Taktstock gegen das Pult.
    »Er ist

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