Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Trügerische Ruhe

Trügerische Ruhe

Titel: Trügerische Ruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
Vom Netzwerk:
hinein und sah zu, wie es sich mit Blut füllte. Nur noch eins. Los, komm schon!
    »Was zum Teufel geht hier vor?«
    Claire sah auf. In ihrer Verblüffung ließ sie die Nadel aus der Vene gleiten, und sofort begann das Blut aus der Einstichwunde auf das Bettlaken zu tropfen. Rasch nahm sie die Aderpresse ab und verband den Arm des Jungen mit einer Mullbinde. Ihre Wangen glühten vor Scham, als sie sich umdrehte und Paul Darnell und Adam DelRay gegenüberstand, die sie von der Tür aus ungläubig anstarrten. Zwei Schwestern spähten ihnen über die Schultern.
    Der Cop sagte: »Sie hat nur ein wenig Blut abgenommen. Da ist der Junge ein bißchen laut geworden.«
    »Dr.Elliot sollte gar nicht hier sein«, sagte Paul. »Kennen Sie etwa nicht die neuen Anweisungen?«
    »Welche Anweisungen?«
    »Ich bin jetzt der Arzt des Jungen«, fuhr DelRay ihn an.
    »Dr.Elliot hat keinerlei Autorität. Sie dürfte nicht einmal hier im Zimmer sein.«
    Der Polizist starrte Claire an, und seine Verärgerung war unverkennbar. Sie haben mich benutzt.
    Paul streckte die Hand aus. »Geben Sie mir die Blutproben, Dr. Elliot!«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich überprüfe lediglich ein abnormes Testergebnis. Es könnte einen Einfluß auf die Behandlung Ihres Sohnes haben.«
    »Sie sind nicht mehr seine Ärztin! Geben Sie mir die Röhrchen!«
    Sie schluckte krampfhaft. »Es tut mir leid, Mr. Darnell. Aber das kann ich nicht tun.«
    »Das ist Körperverletzung!« Paul wandte sich an die anderen Anwesenden. Die Empörung stand ihm ins Gesicht geschrieben. »Jawohl, Körperverletzung! Sie hat meinen Sohn mit dieser Spritze angegriffen, obwohl sie weiß, daß sie kein Recht dazu hat!« Er sah Claire an. »Sie werden von meinem Anwalt hören.«
    »Paul«, unterbrach ihn DelRay, plötzlich ganz der Diplomat. »Ich bin überzeugt, daß Dr. Elliot diese Art von Unannehmlichkeiten lieber vermeiden möchte.« Er drehte sich zu Claire um und redete im Ton selbstgefälliger Vernunft auf sie ein. »Kommen Sie, Claire. Das Ganze wird allmählich zu einer Farce. Nun geben Sie mir schon die Röhrchen.«
    Sie sah auf die beiden Röhrchen in ihrer Hand hinab und versuchte, ihren Wert gegen eine Anklage wegen Körperverletzung abzuwägen. Gegen den möglichen Verlust ihrer ärztlichen Privilegien. Sie spürte die Blicke, die auf ihr ruhten, die beobachteten, wie sie erniedrigt wurde – und es auch noch genossen.
    Schweigend übergab sie DelRay die Röhrchen.
    Er nahm sie mit einem triumphierenden Blick entgegen. Dann wandte er sich an den Polizisten. »Der Junge ist mein Patient. Ist das klar?«
    »Vollkommen klar, Dr. DelRay«
    Niemand sagte ein Wort zu Claire, als sie die Station verließ, aber sie wußte, daß alle sie anstierten. Sie blickte starr vor sich hin, als sie um die Ecke bog und den Abwärts-Knopf drückte. Erst als die Tür des Aufzugs sich hinter ihr geschlossen hatte, wagte sie es endlich, die Hand in die Tasche ihres Kittels gleiten zu lassen.
    Das dritte Röhrchen war noch da.
    Sie fuhr mit dem Lift ins Kellergeschoß und fand dort Anthony im Labor sitzend, umgeben von Gestellen mit Reagenzgläsern.
    »Ich habe Proben vom Blut des Jungen«, sagte sie zu ihm.
    »Für das Drogen-Screening?«
    »Ja. Ich fülle den Antrag selbst aus.«
    »Die Formulare sind in dem Regal da drüben.«
    Sie nahm eines vom Stapel und stutzte, als sie den Briefkopf sah: Anson Biologicals. »Haben wir ein neues Referenzlabor? Ich habe diese Formulare hier noch nie gesehen.«
    Er sah von einer surrenden Zentrifuge auf. »Wir haben gerade vor ein paar Wochen zu Anson gewechselt. Das Krankenhaus hat einen neuen Vertrag mit ihnen abgeschlossen; sie sind jetzt für unsere komplexeren chemischen Analysen und Radioimmunoassays zuständig.«
    »Warum?«
    »Ich glaube, es war eine Kostenfrage.«
    Sie las das Formular durch und kreuzte dann das Kästchen für Gaschromatograpbie/Massenspektrometrie; umfassendes Screening auf Drogen/Toxine an. In das Feld für Anmerkungen am Fuß der Seite schrieb sie: »Vierzehnjähriger mit Verdacht auf drogenbedingte Psychose und Aggression. Dieser Test ist nur für meine eigene Forschung bestimmt. Ergebnisse bitte direkt an mich.« Und sie unterschrieb das Formular.
    Noah ging zur Tür, um zu sehen, wer geklopft hatte. Amelia stand draußen in der Dunkelheit. Sie trug einen Verband, der sich als leuchtendweißer Streifen quer über ihre Schläfe zog, und Noah konnte sehen, daß es ihr Schmerzen bereitete, zu lächeln. In ihrer mißlichen Lage

Weitere Kostenlose Bücher