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Trügerische Ruhe

Trügerische Ruhe

Titel: Trügerische Ruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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schlafen. Er geht heute dorthin zurück.«
    »Wir nehmen also jeden fremden Typen bei uns auf, der zu blöd ist, seinen Holzofen in Gang zu kriegen?«
    »Sprich bitte nicht so laut. Er schläft noch.«
    »Es ist schließlich auch mein Haus! Warum sollte ich flüstern müssen?«
    Claire saß am Frühstückstisch und starrte den Rücken ihres Sohnes an. Noah weigerte sich, sie anzusehen, und stand trotzig vor dem Toaster, als ob der seine ganze Konzentration in Anspruch nähme.
    »Bist du sauer, weil ich einen Gast hatte? Ist es das?«
    »Du kennst ihn ja nicht einmal, lädst einfach einen Fremden ein, die Nacht hier zu verbringen.«
    »Er ist kein Fremder, Noah. Er ist Wissenschaftler.«
    »Wissenschaftler sind also keine Fremden, was?«
    »Dein Vater war ein Wissenschaftler.«
    »Ach, und deshalb soll ich diesen Typ mögen?«
    Der Toast schnellte hoch. Noah warf die Scheiben auf einen Teller und setzte sich an den Tisch. Sie sah mit zunehmender Verwirrung zu, wie er ein Messer nahm und das Toastbrot in immer kleinere Würfel zu zerschneiden begann. Es war bizarr; nie zuvor hatte sie ihn so etwas tun sehen. Er überträgt seine Wut, dachte sie. Läßt sie am Brot aus.
    »Scheint, als ob meine Mutter doch nicht so perfekt ist«,
    sagte er, und sie errötete, betroffen von der boshaften Bemerkung. »Du sagst mir immer, ich soll schön sauber bleiben. Ich bin nicht derjenige, der Übernachtungsgäste hat.«
    »Er ist nur ein Freund, Noah. Ich habe ein Recht auf Freunde, oder etwa nicht?« Ohne zu überlegen, fügte sie hinzu: »Ich habe auch ein Recht auf Liebhaber.«
    »Tu dir keinen Zwang an!«
    »In vier Jahren wirst du auf dem College sein. Du wirst dein eigenes Leben haben. Warum kann ich nicht meines haben?«
    Noah ging zum Spülbecken zurück. »Glaubst du etwa, ich habe ein Leben?« Er lachte. »Ich bin auf Dauerbewährung. Die ganze Zeit werde ich beobachtet. Von allen. «
    »Was meinst du damit?«
    »Meine Lehrer sehen mich alle an, als ob ich ein Krimineller wäre. Als ob es nur eine Frage der Zeit wäre, bevor ich wieder was anstelle.«
    »Hast du etwas getan, das ihnen einen Grund gegeben haben könnte?«
    Er wirbelte herum und blickte sie wütend an. »Ja, ich bin schuld. Ich bin immer schuld!«
    »Noah, gibt es da irgend etwas, das du mir verschweigst?«
    Mit einer zornigen Handbewegung stieß er zwei Kaffeetassen von der Arbeitsfläche ins Spülwasser. »Du denkst doch, daß bei mir schon alles verloren ist! Du bist nie zufrieden mit mir. Egal, wieviel Mühe ich mir gebe, perfekt zu sein.«
    »Komm mir bitte nicht mit diesem Gejammer von wegen Perfekt-sein-Müssen. Ich darf auch keinen Mist bauen. Weder als Mutter noch als Ärztin, und ich habe es gründlich satt. Besonders wenn du mir immer wieder irgendwas vorwirfst, ganz gleich, wieviel Mühe ich mir gebe.«
    »Was ich dir vorwerfe«, gab er zurück, »ist, daß du mich in dieses öde Kaff geschleppt hast.« Er stapfte wütend aus dem Haus; das Knallen der Tür schien noch eine Ewigkeit in der Luft zu hängen.
    Sie griff nach ihrer Tasse. Ihre Hände zitterten vor ohnmächtiger Erregung, als sie den inzwischen lauwarmen Kaffee austrank.
    Was war da gerade geschehen? Wo kam all diese Wut her? Sie hatten sich früher schon gestritten, aber er hatte es noch nie so darauf angelegt, sie zu verletzen. Und noch nie hatte er sie so tief getroffen.
    Sie hörte das Rumpeln des abfahrenden Schulbusses.
    Sie sah auf seinen Teller, auf den Toast, von dem er nichts gegessen hatte. Er war zu Krümeln zerhackt.
    »Das hier ist nicht der richtige Ort für ihn, Dr. Elliot«, sagte die Oberschwester. Eileen Culkin war klein, aber für eine Frau sehr athletisch gebaut, und mit ihrer dröhnenden Stimme und ihrer Vergangenheit als Armeekrankenschwester gebot sie augenblicklich Respekt. Wenn Eileen sprach, hörten die Ärzte zu.
    Claire war gerade damit beschäftigt, Scotty Braxtons Krankenakte noch einmal durchzugehen, doch jetzt legte sie sie beiseite und wandte sich Eileen zu. »Ich habe Scotty heute morgen noch nicht gesehen«, sagte sie. »Hat es wieder Probleme gegeben?«
    »Auch nachdem sie um Mitternacht die zusätzliche Dosis Beruhigungsmittel angeordnet hatte, ist er nicht eingeschlafen. Er ist jetzt ruhig, aber letzte Nacht war er die ganze Schicht lang wach und hat den Wachpolizisten angeschrien, er solle ihm die Handschellen abnehmen. Er hat all die anderen Patienten um den Schlaf gebracht. Dr. Elliot, dieser Junge gehört in Jugendhaft oder in eine

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