Trügerischer Friede
über das, was sie vor dem dunkler werdenden Horizont abhob und ihnen einmal mehr die Überlegenheit der Kensustrianer vor Augen hielt. Türme schraubten sich allenthalben in die Höhe, und ihre Brücken verbanden sich an einem einzigen Punkt in sicherlich fünfzig Schritt Höhe zu einem frei schwebenden Platz. auf dem sich ein weiteres Gebäude befand und erhaben über Khömalin schwamm wie eine Seerose auf einem Teich.
»Wie kann mann so etwas errichten?«, schnurrte Pashtak und erlaubte den Pferden, in leichten Trab zu verfallen. Sie hatten sich ihren Hafer, oder was immer man Pferden in Kensustria in den Trog schüttete, redlich verdient. »Stellt euch das vor: An einem einzigen Tag sind wir angekommen«, grollte er. »Sie haben uns absieht*
lieh über Umwege gelotst.«
»Anscheinend können nicht nur die Priester unsere Stadt nicht leiden«, meinte Estra und begutachtete die Bauwerke. Ihre Verwunderung hatte eben erst einen Anfang genommen und sollte sich mit jeder Radumdrehung des Wagens und jedem Hufschlag Treskors steigern.
Dank ihrer Aufpasser wurden sie von den Wächtern am Eingang durch gewunken. Sie ritten unter einem gewaltigen Bogen hindurch, der sich hoch über ihren Köpfen gut und gern über eine Strecke von zwanzig Schritten spannte.
Vermutlich trug Khömalin den Beinamen die Stadt der Tempel. Jedenfalls machte es auf die vier den Eindruck/ dass beinahe jedes Gebäude einer anderen Gottheit des schier unendlichen kensu9trianischen Götterreigens geweiht worden war.
»Da sieht man, dass die Kensustrianer mehr als hundert Wesen verehren«, sagte Estra beeindruckt. Durch die Straßen und über die Plätze zog ein sich beständig ändernder Duft nach Kräutern, Wohlgerüchen und Rauch, in den Heiligtümern wurde allerorten Kostbares geopfert. Pashtaks feine Nase wehrte sich dagegen mit einem lästigen Niesreiz; kaum legte er sich, suchte ihn der nächste Anfall heim. Im Gegensatz zu Tokaro und vermutlich Estra bemerkte er in den Gerüchen einen Hauch von verbranntem
Fleisch, und er weigerte sich anzunehmen, dass es etwas anderes als Tiere sein könnten, die in den Flammen umkamen. Es weckte die Erinnerung an die düstere Vergangenheit der Verborgenen Stadt, als die Tzulani Menschen opferten.
»Wir müssen zum Priesterrat«, verlangte er von ihren Begleitern. Er ahnte, dass sie ihr Weg die Türme hinauf zu dem Punkt über der Stadt führen würde; und tatsächlich deutete die Kriegerin zuerst auf einen Turm in ihrer Nähe, dann hinauf zu dem schwebenden Gebäude. Tokaros Aufmerksamkeit wurde von der exotischen Schönheit der Stadt durch lautes Stimmengewirr am Tor abgelenkt. Als er den Kopf drehte, entdeckte er einen kensustrianischen Krieger, der aussah, als habe er eine weite Strecke zurückgelegt. An seiner leichten Rüstung haftete der Staub vieler Straßen, er sah müde und abgekämpft aus.
»Pashtak«, machte er den Vorsitzenden hastig aufmerksam. »Ich fürchte, der Bote des Belagerungsheeres, der eine Woche nach uns aufbrach, ist soeben angekommen.«
Pashtak und die Inquisitorin tauschten rasche Blicke. »Dann habe ich eine besondere Aufgabe für Euch«, sagte er hastig und sprang vom Kutschbock, die junge Frau folgte ihm. »Lasst Euch etwas einfallen, um ihn aufzuhalten. Ich möchte vor ihm beim Rat vorsprechen.« Er rannte zum Turm; und die Kriegerin heftete sich an seine Fersen, während der Kensustrianer beim Ritter blieb. »Aber krümmt ihm kein Haar.«
Estra nickte ihm zu, hob zum Abschied die Hand. In ihren braunen Augen meinte er Sorge um ihn gelesen zu haben, und das freute ihn sehr. Nach wie vor fühlte er sich zu ihr hingezogen, auch wenn sich unterwegs manches feurige
Wortgefecht zwischen ihnen ergeben hatte. Dann folgte sie
Pashtak.
Tokaro beobachtete, wie der Bote an einen Trinkbrunnen ging und sich Wasser schöpfte, mit dem er sich das Gesicht benetzte und den Staub abwusch. »Gän, nun liegt es an uns«, sagte er halblaut und setzte sich in Bewegung, schritt schnurstracks auf den Boten zu. An den Schritten hinter sich hörte er, dass sowohl Gän als auch der Krieger ihm folgten. »Verzeiht«, rief er den Boten von weitem an. »Seid Ihr aus Ammtara?«
Der Bote hob überrascht den Kopf, das Wasser perlte von seinem Gesicht und troff auf die Rüstung, malte dunkle Striche auf die Rüstung aus Metall, Holz und Leder. Mit der linken Hand fuhr er sich durch die langen grünen Haare, die andere legte sich an den Griff seines Kurzschwertes, das er am Gürtel trug.
Tokaro
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