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Trügerischer Friede

Trügerischer Friede

Titel: Trügerischer Friede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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hinausgehen«, wiederholte der Cereler bestimmt. »Wir alle oder keiner.« Er setzte soeben zu einem Satz an, als Stiefel eilig über die Dielen zum Arbeitszimmer polterten. Gleich darauf klopfte es laut und sehr aufdringlich gegen die Tür. »Bürgermeister, bitte, es ist dringend«, rief eine helle Stimme außer Atem.
    »Jarevrän?« Lorin öffnete und sah seine Gemahlin schnaufend vor sich stehen. »Was tust du hier? Bist du nicht auf dem Südturm zur Wache eingeteilt?« Er gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange.
    »Deswegen bin ich hier.« Sie trat auf Sintjöps Wink ein. »Ich habe Positionslichter gesehen. Draußen, auf der See. Sie nähern sich Bardhasdronda. Mein Feuer wurde vom Regen gelöscht, das Petroleum schaffte es nicht mehr, das nasse Holz zu entzünden, also lief ich die Klippen hinab und am Strand entlang«, erklärte sie, weshalb sie kein Signal gegeben hatte.
    »Wie weit waren sie entfernt?« Rantsila erhob sich, um die Milizionäre in Alarmbereitschaft zu versetzen.
    »Schwierig einzuschätzen. Mehr als zwei Meilen
    es nicht gewesen sein.«
    »Ich habe doch gesagt, dass Soscha Zabranskoi zu uns gelangt.« Lorin dachte an die nicht eben einfache Einfahrt
    in Bardhasdrondas Hafen, vor dem eine Sandbank lag, die
    durch den Sturm erst richtig zum Vorschein kam.
    »Macht die Boote bereit, falls das Schiff auf Grund läuft und wir sie einzeln von Bord holen müssen«, empfahl
    Sintjop, der ähnliche Gedanken gehegt hatte wie Lorin.
    »Ich kann mich bei all dem Regen auch getäuscht haben«, machte sich Jarevrän bemerkbar, »doch ich denke, es sind zwei Schiffe. Die Positionslampen lagen zu weit auseinander, um nur zu einem zu gehören.«
    »Ein Begleitschiff wegen der Piraten oder Tzulandrier?«, mutmaßte Rantsila, während er zur Tür ging.
    »Es könnten zudem alle möglichen Schiffe sein.«
    »Sie ist es«, behauptete Lorin mir solcher Sturheit, dass sie ihm alle glaubten. »Lasst uns gehen, damit ihr seht, dass ich Recht habe.«
    Nachdem sich alle mit regendichter Lederkleidung versehen hatten, verließen sie das Haus und den Marktbereich der Stadt und rannten durch das tobende Unwetter hinunter zum Hafen. Schon von weitem wurden sie vom durchdringenden Klirren des Klangeisens begrüßt. Die Mannschaft des vordersten Turms, der bei jeder größeren Welle, die sich an der Mauer brach, in einer weißen, schäumenden Gischtwolke verschwand, gab das Zeichen, dass sich ein unbekanntes Schiff näherte. Rantsila scheuchte die Milizionäre vorwärts, damit die Ruderboote zu Wasser gelassen wurden und sich die Rettung des höchstwahrscheinlich auf Grund laufenden Seglers nicht verzögerte.
    Lorin bewunderte einmal mehr die Männer, die sich nicht
    davor scheuten, auf die tosende See hinauszufahren.
    Zwischen den Kalisstroni der Küste und dem Meer bestand ein geheimes Band. Sie achteten und ehrten es, und eben weil sie ihm mit Respekt begegneten, sorgten sie sich trotz des Wellengangs, bei dem sich sogar ein Rogogarder geweigert hätte auszulaufen, weniger um ihre Leben. Das bedeutete nicht, dass sie sich sicher fühlten. Aber sie stachen unbelastet und mit dem Wissen in See, Kalisstra und das ewig bestehende Meer durch keine ihrer Taten erzürnt zu haben.
    Lorin fehlte dieses absolute Vertrauen in die brüllenden, schäumenden Fluten. Er bevorzugte eine freundlichere See.
    Als er durch die Regenschleier blinzelte, erkannte er im Schein der rasch aufeinander folgenden Blitze gigantische Schiffsumrisse. »Kalisstra, was ist das?«
    Rantsila, der eben noch half, ein Boot ins aufgewühlte Wasser zu schieben, bemerkte das Staunen seines Stellvertreters und folgte dem Blick. »Bei den Gamuren der Bleichen Göttin!«, rief er gegen den Sturm. »Was will da zu uns? Es ist viel zu groß für ein Schiff!«
    Ein riesiger schwarzer Bug, an dem ein Rammsporn prangte, schob sich aus der Dunkelheit des Meeres in den schwachen Schein der Blendlaternen an der Einfahrt.
    »Es ist ein Schiff.« Lorin hielt die Luft an. »Und es ist mindestens vier mal so groß wie einer unserer Segler.« Er zählte drei Masten, an denen kein einziges Segel mehr hing. Entweder waren sie gerefft oder vom Sturm zerfetzt worden. Dann bemerkte er, dass er sich getäuscht hatte. Die unbekannten Seeleute benutzten schwarze Segel!
    Durch die röhrende Stimme des Windes und das Tosen der
    Wellen erklang das trotzige Dröhnen von Trommeln; lange Riemen stachen rechts und links des Rumpfes ins aufgepeitschte Wasser und trieben das Schiff voran.

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