Trügerischer Friede
hob der Kensustrianer die Schulter. »Wohl verirrt.«
Kontinent Ulldart, Südwestküste von Türis, Spätherbst im Jahr | Ulldrael des Gerechten (460 n. S.)
Das ist der letzte Tzulandrier.« Puaggi verfolgte mit dem Fernrohr, wie das Schiff Segel setzte und Kurs nach Westen
nahm. »Sie planen etwas«, sagte er zu Torben, die Schiffe nicht aus den Augen lassend. »Ich kann mir einfach nicht
vorstellen, dass sie kampflos das Feld räumen, nach allem, was ich über sie gehört habe.«
»Und nach allem, was ich von ihnen in den letzten Jahren gesehen habe, stimme ich Euch zu.« Torben trat gegen die Reling; er erlaubte seiner Wut dieses bescheidene Ventil, da ihm ein Tzulandrier fehlte, an dem er sich austoben durfte. »Das ist der Grund, weshalb wir sie verfolgen werden.« Das und Varia. Er sah ihr hübsches Gesicht vor sich und litt wegen ihres ungewissen Schicksals noch mehr. Die Unterhaltung bei der Übergabe des Geldes mit dem Dä'kay am Strand einen Tag zuvor hatte nicht viel gebracht. »Wir haben keine Gefangenen gemacht«, hatte der Tzulandrier stur wiederholt, und niemand hätte ihm das Gegenteil beweisen können. Die wertvollen Kisten waren schnell mit Hilfe der Ruderboote übergesetzt und in den Frachträumen verstaut. Der Dä'kay hatte noch einmal alle mit einem geringschätzigen Blick bedacht, sich umgewandt und war ein
fach in das letzte Boot gestiegen.
Torben hätte ihn am liebsten bei den Haaren gepackt und ihn mit dem Gesicht nach unten über den Strand geschleift, bis er die Wahrheit über Varia herausgeschrien hätte. Aber die Vernunft hatte über das impulsive Begehren gesiegt.
Ich schwöre, dass ich sie jagen werde, bis ich weiß, was sie mit dir gemacht haben, sandte er seine Gedanken zu seiner Gefährtin. »Vollzeug setzen und Kurs nach Westen«, befahl er mit lauter Stimme.
»Wir begleiten unsere Feinde ein wenig.« Und an Puaggi gewandt: »Kehrt auf Euer Schiff zurück und folgt in meinem Kielwasser. Ich kenne eine Strecke, die uns durch ein Riff führt, aber einen Tag näher an die Tzulandrier heranbringt.« Noch stand der Palestaner unbeweglich am Bug. »Ihr wollt Euch das hinterste Schiff in der Nacht kapern, habe ich
Recht?«
Torben grinste, die Goldzähne blitzten in den Herbstsonnen. »Ihr denkt schon wieder wie ein Freibeuter, Commodore.« Er klopfte ihm auf die Schulter. »Genau das beabsichtige ich. Und Ihr werdet mir mit Eurem schnellen Segler den Überfall decken und mir andere Tzulandrier vom Leib halten.«
»Sehr gern, Kapitän.« Erst jetzt verstaute Puaggi das Fernrohr und begab sich auf das Hauptdeck, wo ein Fallreep an der Außenbordwand nach unten zur Wasserlinie führte. Das Boot wartete bereits. »Ich soll, und das werdet Ihr mir nicht glauben, Euch Grüße des Königs von Palestan ausrichten. Sollte es machbar sein, versenkt so viele Schiffe wie möglich, ohne dass es auffällt und die Tzulandrier einen Grund für einen neuen Krieg erhalten. Das sind seine Worte.« Zum Beweis langte er unter seine Jacke und nahm einen Brief aus der
Innentasche hervor. »Es wird immer besser«, lachte Torben, und die Ohrringe klirrten leise. »Wenn es so weitergeht, werden sich Rogogard
und Palestan ihrer gemeinsamen Wurzeln entsinnen und zu einem vereinten Königreich zusammenschließen.« Er wurde ernst. »Es hat einen Grund, dass er sich das wünscht?« Puaggi stimmte mit einem leichten Kopfnicken zu. »Die
Tzulandrier haben in dem Flecken von Palestan, in dem sie sich niederließen, keinen Stein auf dem anderen gelassen. Männer sind ihrer Frauen und Töchter beraubt worden, die irgendwo«, er deutete übers Wasser auf die Kriegsflotte der Tzulandrier, »auf diesen Schiffen zusammengepfercht in Verschlagen kauern und warten, dass sie vergewaltigt oder verkauft werden.«
Torben hörte davon zum ersten Mal. Die Schadenfreude darüber, dass Palestan für seine Rolle in den letzten Kriegen und die Zusammenarbeit mit den Bardrics teuer bezahlen musste, wollte nicht recht aufkommen. »Wir schauen, ob wir welche retten können«, blieb' er wohlweislich vage. »Vielleicht sind die Götter mit uns, und wir schnappen uns das Schiff, auf dem Eure Landsleute sind.«
»Nein, Kapitän. Es fehlen uns mehr als dreitausend Mädchen und Frauen. Ein so großes Schiff gibt es nicht.« Er kletterte das Fallreep hinunter und wurde zur Erhabenheit übergesetzt. Die Verfolgung begann.
Absichtlich blieben Puaggi und Torben so weit hinter der Flotte zurück, dass der Ausguck gerade noch die
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