Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)
Zimmer. Avery fand die Geste rührend, auch wenn sie Jack nicht leiden konnte. Dorothy Rae empfand das auch so, denn sie sah voll Liebe und Dankbarkeit zu ihrem Mann auf.
Dirk und Ralph, die sich während dieses Teils des Familiendramas miteinander unterhalten hatten, sahen auf. »Sie sollten bei der nächsten Reise hierbleiben, Carole«, meinte Dirk.
»Dafür bin ich auch«, stimmte Eddy zu.
»Das hängt von Tate ab«, sagte sie.
Sein Gesichtsausdruck war kalt. »Du bleibst hier.«
Sie fühlte die heißen Tränen, aber um nichts in der Welt hätte sie den Männern in diesem Zimmer ihren Kummer gezeigt. »Entschuldigt mich.«
Stolz ging sie hinaus. Tate holte sie im Flur ein und drehte sie zu sich um. »Deine betrügerische Art kennt keine Grenzen, stimmt’s, Carole?«
»Ich weiß, daß das schlecht aussieht, aber —«
»Schlecht!« Mit bitterer Miene schüttelte er den Kopf.
»Warum hast du nicht dazu gestanden? Warum hast du gesagt, es hätte nie ein Kind gegeben?«
»Weil ich gesehen habe, wie sehr es dich verletzt.«
»Unsinn. Du hast gemerkt, daß es dir Schwierigkeiten macht, sonst nichts. Du wußtest schon im voraus genau, wie du reagieren mußt — von wegen gefälschte Karteikarte und Bluff. Was hast du sonst noch für Trümpfe im Ärmel?«
»Ich habe das mit der gefälschten Karteikarte zu deinem Schutz vorgeschlagen, Tate, nicht zu meinem.«
»Klar doch«, sagte er zynisch. »Wenn du etwas für mich hättest tun wollen, hättest du das Kind nicht abgetrieben. Oder du wärest erst gar nicht schwanger geworden. Hast du dir eingebildet, ein Kind wäre deine Fahrkarte nach Washington?«
Er ließ sie plötzlich los. »Geh mir aus dem Weg. Ich kann deinen Anblick nicht ertragen.«
Als er im Wohnzimmer verschwand, sank Avery gegen die Wand und preßte die Hand auf den Mund, damit man ihr Schluchzen nicht hörte. Wieder hatte sie versucht, für Caroles Sünden geradezustehen, und Tate damit nur noch mehr gegen sich aufgebracht.
Am nächsten Morgen war Avery total kaputt. Ihre Augen waren geschwollen vom Weinen, als sie ins Badezimmer stolperte.
Sie hatte kaum die Tür aufgemacht, da sah sie mit Grauen die Nachricht, die mit ihrem Lippenstift auf den Spiegel geschrieben war:
Dumme Schlampe. Du hättest fast alles ruiniert.
Sie blieb wie angewurzelt stehen, dann wischte sie hastig die Schrift weg, zog sich an und lief in den Stall.
Schon nach ein paar Minuten ritt sie in vollem Galopp über die Wiesen, um möglichst schnell von dem Haus wegzukommen, in dem ein solcher Verrat möglich war. Trotz der ersten warmen Sonnenstrahlen bekam sie eine Gänsehaut, als sie sich vorstellte, daß jemand durch ihr Schlafzimmer geschlichen war, während sie schlief.
Vielleicht hatten Irish und Van recht. Es war Wahnsinn, mit dem Theater weiterzumachen und ihr Leben aufs Spiel zu setzen, weil eine skrupellose Frau ihren Mann und seine Familie betrogen
hatte. Keine Story der Welt war das wert, oder? Aber nein, sie würde sich von ihrer Angst nicht unterkriegen lassen. Sie liebte Tate und Mandy, und ihretwegen mußte sie bleiben. Die Wahl fand in ein paar Wochen statt, das Ende war abzusehen.
Tates Feind war, wie aus der Nachricht klar wurde, durch ihr Verhalten nervös geworden. Und nervöse Leute machten Fehler. Sie mußte jetzt besonders genau auf verräterische Bewegungen und Handlungen achten müssen.
Kein Mensch war im Stall, als sie das Pferd in seine Box zurückbrachte. Sie sattelte den Wallach ab, gab ihm einen Eimer Futter und rieb ihn trocken.
»Ich habe dich gesucht.«
Erschrocken ließ sie den Striegel fallen und drehte sich um. »Tate!« Sie preßte eine Hand auf ihr wild schlagendes Herz. »Du hast mich erschreckt.«
Er stand an der Tür der Box. Shep saß gehorsam neben ihm.
»Mandy will, daß du ihr Toast zum Frühstück machst. Ich habe ihr versprochen, daß ich dich suche.« Er betrachtete ihre Jeans und das lose darüberhängende Baumwollhemd. »Was ist mit deinen schicken Hosen passiert, diesen...« Er machte eine ausladende Geste neben seinen Schenkeln.
»Die Jodhpurhosen? In denen komme ich mir irgendwie komisch vor.«
»Aha.« Er drehte sich um und wollte gehen.
»Täte?« Als er sich wieder umdrehte, fuhr sie sich nervös mit der Zunge über die Lippen. »Ich weiß, daß alle wütend auf mich sind, aber für mich zählt nur deine Meinung. Haßt du mich jetzt?«
Shep legte sich auf den Boden und sah kummervoll zu ihr auf.
»Ich gehe besser wieder zu Mandy«, sagte er. »Kommst
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