Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)
Praxis.«
»Ach ja?« Ralph hörte auf, mit den Münzen in seiner Tasche zu spielen. »Wie kommt’s?«
»Keine Ahnung.«
»Das müßt ihr herausfinden.« Avery stand auf. Sie sah nur eine Möglichkeit, in Tates Augen wieder besser dazustehen und ihm zu helfen. »Vielleicht hat der Mann sie wegen Unfähigkeit hinausgeworfen.«
»Der Mann? Der Arzt ist eine Frau. Mein Gott, erinnerst du dich nicht mal mehr daran?«
»Willst du meine Hilfe oder nicht?« schoß sie zurück. »Wenn die Schwester rausgeworfen worden ist, wäre sie kein sehr glaubwürdiger Informant, oder?«
»Was hast du vor?« fragte Eddy. »Willst du die Sache durchstehen und leugnen, oder was?«
»Ja«, bestätigte sie trotzig.
Es wurde mucksmäuschenstill im Zimmer. Zee brach schließlich das Schweigen. »Und wenn sie deine Karteikarte hat?«
»Die kann man fälschen. Und dann würde nach wie vor mein Wort gegen ihres stehen.«
»Wir können die Sache doch nicht einfach ableugnen«, sagte Tate.
»Warum denn nicht, zum Teufel?« fragte Dirk.
Ralph lachte. »Lügen gehört dazu, Tate. Wenn Sie gewinnen wollen, müssen Sie nur überzeugender lügen als Rory Dekker, das ist alles.«
»Wenn ich Senator werde, muß ich mich nach wie vor jeden Morgen im Spiegel ansehen«, meinte Tate finster.
»Wir werden gar nicht lügen müssen.« Avery stellte sich vor Tate und legte ihre Hände auf seine Arme. »Wenn wir sagen, daß sie blufft, muß sie sich zurückziehen. Sicher wird keine der hiesigen
Fernsehstationen sich für ihre Geschichte interessieren, besonders, wenn sie entlassen worden ist.« Wenn sie zu KTEX ging — und das war am wahrscheinlichsten, denn die bezahlten am besten -, würde Irish die Sache unter den Tisch kehren. Falls sie sich an einen anderen wandte...
»Aber die Skandalblätter würden die Story ohne weiteres drucken, auch ohne jeden Beweis.«
»Das mag sein«, sagte sie, »aber denen glaubt doch keiner. Wenn wir eine solche Skandalgeschichte weit von uns weisen, würden alle es für eine Lüge halten.«
»Was ist mit Dekkers Leuten? Die verbreiten die Geschichte in ganz Texas.«
»Und wenn schon?« fragte Avery. »Es ist eine häßliche Geschichte. Niemand hält es für möglich, daß ich so was tue.«
»Warum hast du es denn getan?«
Avery drehte sich Zee zu. Sie wirkte betroffen und litt offensichtlich um ihres Sohnes willen. Avery wünschte, sie könnte eine plausible Erklärung abgeben. »Tut mir leid, Zee«, sagte sie nur, »aber das geht nur Tate und mich etwas an. Damals schien es die richtige Lösung zu sein.«
Zee schauderte vor Widerwillen.
Eddy war der Gefühlsaspekt der Sache ganz egal. »Mein Gott, was macht wohl Dekker aus dieser Sache! Die Abtreibungsgegner sind sowieso schon auf seiner Seite. Mir graut, wenn ich mir die Folgen vorstelle. Er wird Carole als Mörderin hinstellen.«
»Wenn er es nicht hieb- und stichfest beweisen kann, würde es aussehen, als versuche er uns anzuschwärzen, und die Wähler würden eher in unsere Richtung tendieren.«
Dirk und Ralph sahen sich an und zuckten gleichzeitig mit den Schultern. »Sie hat nicht unrecht mit dem, was sie sagt«, meinte Dirk. »Wenn Sie noch mal von dieser Arzthelferin hören, sagen Sie ihr, daß sie blufft. Wahrscheinlich hat sie nichts Brauchbares in der Hand und wird schnell aufgeben.«
»Das ist wohl das beste.« Nelson stand auf und streckte seine Hand nach Zee aus. »Kümmert ihr euch um den Rest von dieser häßlichen Angelegenheit. Ich will nie wieder etwas davon hören.«
Dorothy Rae machte sich auf den Weg zu dem Schrank mit den scharfen Getränken.
Offensichtlich hatte bis heute abend niemand von Caroles Schwangerschaft gewußt. Die Sache war für alle, selbst für Avery, ein Schock gewesen, da sie darauf gesetzt hatte, daß es nie jemand herausfinden würde.
Jetzt fragte Jack finster: »Hast du sonst noch ein paar Leichen im Keller?«
Tate drehte sich zu ihm um und sagte in schneidendem Ton: »Halt den Mund, Jack.«
»Er soll den Mund halten!« kreischte Rae und stellte klirrend den Wodka zurück in den Schrank. »Er kann schließlich nichts dafür, daß deine Frau eine Schlampe ist.«
»Dorothy Rae!«
»Ist sie doch, oder, Jack? Sie hat ihr Baby getötet, und meins... meins...« Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie drehte den anderen den Rücken zu.
Jack atmete tief aus, senkte den Kopf und murmelte: »Entschuldige, Tate.« Dann ging er zu seiner weinenden Frau, legte ihr den Arm um die Schultern und führte sie aus dem
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