Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)
auch. Und das des Kindes. Wir sollten das FBI einschalten.«
Avery schüttelte den Kopf. »Nein. Dann wüßten alle Bescheid. Schließlich würde es auffallen, wenn Tate plötzlich von einer Armee von Leibwächtern umrundet wäre. Dann käme alles raus.«
»Und das ist genau das Problem, stimmt’s? Du willst nicht, daß Rutledge alles erfährt! Weil du dann deinen gemütlichen Platz in seinem Bett aufgeben müßtest.«
»Nein, das stimmt nicht! Die Behörden können ihn nicht vor Angriffen vor der Familie schützen. Wir können Tate nicht warnen, ohne auch seinen Mörder zu warnen.«
Van stand auf und zog seine vergammelte Lederjacke an. »Ich habe noch Arbeit. Muß noch ein paar Bänder durchsehen.«
Avery streckte ihm die Hand entgegen. »Vielen Dank für alles. Und solltest du irgendwas sehen oder hören –«
»Ich werd’s dir sofort sagen.«
Sobald er draußen war, sagte Irish aus dem Mundwinkel: »Der mit seinem Haschkopf. Ich wünschte, wir hätten einen zuverlässigeren Verbündeten.«
»Schimpf nicht. Ich ärgere mich auch gelegentlich über ihn, aber er war sehr nützlich, ein Freund, und ich brauche Freunde.« Sie sah auf ihre Armbanduhr. »Es wird Zeit. So lange kann eine normale Frau gar nicht einkaufen. Und Tate fragt mich immer, wo ich war, wenn ich zu spät komme.«
Irish schüttelte den Kopf und zog sie in seine Arme. »Du liebst ihn«, stellte er einfach fest. Sie nickte. »Mein Gott, warum muß immer alles so furchtbar kompliziert sein?«
Sie drückte die Augen fest zu, und heiße Tränen tropften auf sein Hemd. »Ich liebe ihn so sehr, daß es weh tut, Irish.«
»Ich kenne dieses Gefühl.«
Avery war zu sehr in ihrem Kummer versunken, um etwas dazu zu sagen. »Was soll ich tun? Ich kann ihn nicht beschützen, aber sagen kann ich es ihm auch nicht.«
»Ich habe wirklich Angst um dich«, sagte Irish und drückte sie noch fester.
»Nachdem ich dieses grausige Plakat gesehen habe, mache ich mir auch um meinetwillen Sorgen. Hoffentlich findet er nicht heraus, daß ich gar nicht seine Komplizin bin.«
Sie umarmte Irish an der Tür noch einmal und küßte seine rotgeäderte Wange, dann trat sie in die Dunkelheit hinaus.
Es war so dunkel, daß keiner von den beiden das Auto bemerkte, daß einen halben Häuserblock entfernt parkte.
KAPITEL 43
Der Blitzausflug nach Houston war für Tate sehr erfolgreich ausgegangen und hatte ihm drei Prozentpunkte mehr gegenüber Dekker eingebracht. Täglich schloß sich die Lücke weiter.
Dekker, der den Druck spürte, begann in seinen Reden ausfällig zu werden. Er bezeichnete Tate als gefährlichen Freidenker, der alle traditionellen Werte der Texaner über den Haufen zu werfen drohte. Doch selbst die Tatsache, daß der Präsident auf Wahlkampfveranstaltungen mit Dekker zusammen auftrat, weil er ebenfalls demnächst wiedergewählt werden wollte, änderte nichts an Tates wachsendem Erfolg. Im Gegenteil. Dekkers verzweifelte Bemühungen vermittelten den Wählern wohl eher ein unangenehmes Gefühl von Torschlußpanik.
Welche Methode auch immer Eddy angewandt haben mochte, die ehemalige Sprechstundenhilfe zum Schweigen zu bringen, die Informationen über Caroles Abtreibung waren weder an die Presse noch bis zu Dekker gedrungen, denn dies wäre der ideale Zeitpunkt gewesen, um solche Enthüllungen als Waffe einzusetzen. Die ganze Familie war erleichtert. An allen Fronten herrschte der größte Optimismus. Alle waren zufrieden.
Nur Fancy nicht.
Sie war seit mehr als einer Woche nicht mehr mit Eddy allein gewesen. Immer wenn er in ihre Richtung sah, schien er einfach durch sie hindurchzusehen. Und wenn sie ihren Stolz überwand und sich ihm näherte, gab er ihr irgendeine niedere Aufgabe zu erledigen. Sie fügte sich nur deshalb, weil sie so in Eddys Sichtweite bleiben konnte.
Er war ständig in Bewegung, erteilte Befehle und verlor schnell die Geduld, wenn sie nicht sofort befolgt wurden. Er schien nur noch von Automatennahrung zu leben. Er kam morgens als erster und ging als letzter.
Am Sonntag vor der Wahl zog die ganze Familie in das Palacio del Rio, ein Hotel mit zweiundzwanzig Stockwerken in der Innenstadt von San Antonio. Von dort aus wollten sie die Wahl, die zwei Tage später stattfand, beobachten.
Tates engere Familie wohnte im einundzwanzigsten Stockwerk in der Fürstensuite. Dort wurden Videorecorder für Wahlberichte und zusätzliche Telefonleitungen installiert. Sicherheitskräfte wurden an den Aufzügen postiert, um zu verhindern, daß
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