Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)
rief Avery verzweifelt. »Und du Van, mach das blöde Ding aus, von dem Geruch wird mir schlecht.« Sie deutete auf den Joint, den Irish nicht beachtet und für eine normale Zigarette gehalten hatte.
Avery stand auf und schlang die Arme um ihren Körper. Es wurde ihr einfach nicht warm. »Das Plakat war schrecklich. Er will es wirklich tun, kein Zweifel mehr.«
»Wer denn, Avery?«
»Ich weiß es nicht, jeder von ihnen könnte es sein. Die ganze Familie geht ständig ein und aus.«
»Woher willst du wissen, daß dir nicht jemand hierher gefolgt ist?«
»Ich habe ständig in den Rückspiegel gesehen. Außerdem war niemand zu Hause, als ich losgefahren bin.«
»Die alte Dame ist irgendwie seltsam«, sagte Van schnodderig. »Ich habe haufenweise Aufnahmen von ihr. Sie lächelt immer, aber ich bezweifle, ob sie wirklich so glücklich ist.«
»Ich weiß, was du meinst. Sie ist sehr zurückgezogen und hat bis heute kaum etwas gesagt.«
»Erzähl uns was von Carole Navarro«, bat Irish.
»Carole, oder wie immer sie auch ursprünglich geheißen haben mag, hat in den seichtesten Nachtclubs getanzt und dabei die saftigsten Namen gehabt. Einmal wurde sie wegen öffentlichen Ärgernisses und einmal wegen Prostitution festgenommen, aber beide Male wurde die Anklage fallengelassen.«
»Und da bist du sicher?«
»Der Privatdetektiv war vielleicht ein schleimiger Typ, aber er war gründlich. Bevor ich hierher kam, war ich in ein paar Bars, in denen sie gearbeitet hat. Ich habe sogar mit ein paar Leuten gesprochen, die sie kannten. Sie hielten mich für Carole, und ich mußte mich als lange im Ausland gewesene Kusine ausgeben, um die Ähnlichkeit zu erklären.«
»Was hatten sie über sie zu sagen?«
»Sie hatte alle Brücken hinter sich abgebrochen. Niemand wußte, was aus ihr geworden war. Ich erinnere mich an einen Bericht, den ich vor Jahren über das Leben von Prostituierten gemacht habe. Ich glaube, so war Carole. Sie hat sich äußerlich völlig umgestellt, aber das Prinzip ist geblieben. Die meisten dieser Frauen hassen Männer. Bei ihr wird das nicht anders gewesen sein.«
»Das kannst du nicht wissen.«
»Nein? Und wie hat sie Jack zugesetzt? Sie hat ihn so sehr gereizt, daß seine Ehe daran zerbrochen ist. Aber meiner Meinung nach ist weiter nichts passiert. Wenn das nicht boshaft ist!«
»Ob sie Angst hatte, daß sie jemand aus ihrem vorigen Leben erkennen und ihre Vergangenheit sie einholen würde?«
Avery hatte daran auch schon gedacht. »Verstehst du nicht, daß das der besondere Knüller gewesen wäre? Es würde Tate wirklich demütigen, wenn herauskäme, was seine Frau früher getrieben hat.«
»Er muß schon ein bißchen seltsam sein«, murmelte Van, »wenn er auf so ein Biest hereinfällt.«
»Du kannst dir nicht vorstellen, wie berechnend sie war«, verteidigte Avery Tate. »Sie wurde genau so, wie er sich eine Frau erträumte. Und jemand, der ihn gut kannte, hat ihr dabei geholfen.«
»Und zwar der, der ihn umbringen will.«
»Stimmt. Die Vorstellung, die trauernde Witwe eines solchen Mannes zu sein, war vielleicht Reiz genug für sie, auch wenn das eine Schwachstelle meiner Theorie ist.«
»Der gleiche Status, aber kein lästiger Mann«, meinte Irish.
»Vielleicht hat man ihr Geld angeboten. In jedem Fall war sie, nachdem die Ehe geschlossen war, dafür zuständig, Tate das Leben schwerzumachen — was sie mit Genuß ausgeführt hat.«
»Aber dann wären wir wieder bei der Frage, warum jemand versuchen sollte, ihn unglücklich zu machen.«
»Das einzige, was klar zu sein scheint«, meinte Avery, »ist, daß sie am Wahltag losschlagen und eine Schußwaffe verwenden wollen.«
Irish biß sich auf die Unterlippe. »Die Frage ist nur: Warum ist diese letzte Nachricht so drastisch im Vergleich zu den anderen? Vielleicht soll deine Standhaftigkeit geprüft werden.«
»Vielleicht ist er aber auch nur so dreist, weil sowieso schon alle Weichen gestellt sind«, gab Van zu bedenken.
»Wie zum Beispiel der Grauhaarige?« fragte Avery. Van zuckte mit den Schultern und sah sie so vielsagend an, daß Irish fragte: »Also gut, was wißt ihr, was ich nicht weiß?«
Avery antwortete zögernd: »Van glaubt, daß der Grauhaarige vielleicht mich und nicht Tate im Visier hat.«
Irish wurde unruhig. Er nahm ihre Hand. »Hör zu. Du mußt die Behörden informieren. Das Ganze mag am Anfang eine
gute Idee gewesen sein, aber jetzt hast du die Sache nicht mehr im Griff. Dein Leben ist in Gefahr. Und Rutledges
Weitere Kostenlose Bücher