Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)
Zee, habe ich dich erschreckt?«
Zee blinzelte schnell die Tränen aus den Augen. »Hallo, Carole. Du hast mich überrascht. Ich hatte Tate erwartet.« Sie wollten zusammen essen gehen, nur sie zwei.
»Ich fürchte, ich bringe eine schlechte Nachricht. Tate ist kurzfristig nach Houston geflogen. Dort gibt es seit ein paar Tagen einen Streik, und er möchte die Chance ergreifen, den Arbeitern klarzumachen, welche Reformvorschläge er durchsetzen will, damit sich die Bedingungen in den Fabriken verbessern.
Sie sind mit einem Privatjet unterwegs und wahrscheinlich schon in ein paar Stunden zurück.«
»Tate fliegt genauso gern wie sein Vater«, meinte sie mit einem sehnsüchtigen Lächeln. »Es wird ihm Spaß machen.«
»Würdest du vielleicht auch mit mir essen gehen?«
Zee betrachtete ihre Schwiegertochter. Seit ihrer Genesung kleidete sie sich stilvoller und legte nicht mehr soviel Wert darauf, aufreizend auszusehen. Das hatte Zee immer abstoßend gefunden. Aber auch wenn sich das gebessert hatte, war die Frau für sie immer noch genauso wenig akzeptabel wie früher.
»Ich verzichte.«
»Warum?«
»Du wußtest noch nie, wann der richtige Moment zum Aufhören ist, Carole.« Zee nahm ihre Handtasche.
»Warum willst du nicht mit mir essen gehen?« Avery baute sich vor der Tür auf und versperrte Zee den Weg.
»Ich wollte mit Tate reden. Ich verstehe, daß er nach Houston
mußte, bin aber trotzdem enttäuscht. Wir haben in letzter Zeit so wenig Zeit füreinander, er und ich.«
»Und das ist das eigentliche Problem, stimmt’s? Du kannst nicht ertragen, daß Tate mehr Zeit mit mir verbringt. Du bist eifersüchtig, weil unsere Beziehung jeden Tag stärker wird.«
Zees zarter Körper spannte sich. Wenn Carole Wert auf einen Streit legte, sollte sie ihn haben. »Das würdest du gern glauben, nicht wahr, Carole? Dabei weißt du, daß ich von Anfang an dagegen war, daß mein Sohn dich heiratet.«
»Ja, ich weiß, daß du mich ablehnst. Du verbirgst deine Gefühle nicht sehr gut, Zee.«
Zee lächelte traurig. »Du wärst erstaunt, wenn du wüßtest, wie gut ich verberge, was ich wirklich denke und fühle. Aber trotzdem bin ich nicht glücklich darüber, daß du versuchst, Tate mehr an dich zu binden.«
»Warum nicht? Ich weiß doch, daß dir an Tates Glück viel liegt.«
»Genau. Und solange du da bist, wird er nie glücklich werden. Ich weiß, daß deine ganze liebevolle Art nur Theater ist – falsch, genauso wie du.«
Zee bemerkte zufrieden, daß Carole unter ihrem sorgfältigen Make-up blaß wurde. Ihre Stimme war schwach. »Falsch? Was meinst du mit falsch?«
»Kurz nachdem ihr geheiratet habt und ich das Gefühl hatte, daß es Probleme gibt, habe ich einen Privatdetektiv engagiert. Das war die demütigendste Erfahrung, die ich je gemacht habe, aber ich habe es für meinen Sohn getan. Der Privatdetektiv war ein widerlicher Kerl, aber er hat gute Arbeit geleistet. Wie du vermutlich schon erraten hast, hat er mir eine hervorragende Akte über die Zeit vor deiner Arbeit als Anwaltsassistentin geliefert.« Zee spürte, wie ihre Wut auf diese Frau wuchs, die sich wie ein feindlicher Agent in die Rutledge-Familie eingeschlichen und Tate dazu gebracht hatte, sich in sie zu verlieben.
»Den ekelhaften Inhalt dieser Akte brauche ich ja wohl kaum auszuführen, oder? Vielleicht fehlt einiges, aber deine Zeit als Oben-ohne-Tänzerin ist aufgeführt – unter anderem. Deine verschiedenen Künstlernamen waren wenig phantasievoll. Der
Detektiv hat aufgehört, bevor er den Namen gefunden hatte, den du bei deiner Geburt bekommen hast. Der ist sowieso unwichtig.«
Carole sah aus, als würde sie sich jeden Augenblick übergeben. »Weiß... weiß sonst noch jemand von dieser Akte? Weiß Tate davon?«
»Niemand«, erwiderte Zee, »obwohl ich schon öfter versucht war, sie ihm zu zeigen — zum letzten Mal, als mir klar wurde, daß er sich wieder in dich verliebt hat.«
Carole holte tief Atem. »Hat er das?«
»Ich glaube schon, bedauerlicherweise. Wahrscheinlich gegen sein eigenes besseres Wissen. Er verliebte sich in die neue Carole, die nach dem Flugzeugabsturz zum Vorschein gekommen ist. Vielleicht solltest du als nächstes den Namen Phönix annehmen, weil du dich aus der Asche erhoben hast.«
Zee legte den Kopf auf die Seite und betrachtete ihre Widersacherin kurz. »Du bist eine kluge Frau. Dein Aufstieg von der Nachtbartänzerin der untersten Kategorie zur Dame, die charmant genug ist, um Frau eines Senators zu
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