Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)
»Sie hat die Akte aufbewahrt. Außerdem kannst du so sehr überrascht ja gar nicht sein, denn du hast mir unter anderem vorgeworfen, Affären mit anderen Männern, abgetrieben und Drogen genommen zu haben. Monatelang erdulde ich jetzt schon die Vorwürfe, die dieser Frau galten.«
Er betrachtete sie einen Augenblick lang. »Also gut, nehmen wir an, an der Sache wäre etwas dran. Soll ich glauben, daß du dich selbst in Gefahr bringst, nur weil du ein so gutes Herz hast? Warum hast du mich nicht schon vor Monaten gewarnt?«
»Hättest du mir damals eher geglaubt als heute? Nein, Tate. Ich war hilflos. Ich hatte nicht die Kraft, mich zu schützen, und dich konnte ich noch viel weniger vor Schaden bewahren. Außerdem konnte ich das Risiko nicht eingehen. Wie lange hätte ich
wohl noch gelebt, wenn, wer auch immer es war – ist –, herausgefunden hätte, daß er sein Geheimnis Avery Daniels, der Fernsehreporterin, anvertraut hat?«
Seine Augen verengten sich. »Ich glaube, ich weiß, warum Avery Daniels, die Fernsehreporterin, dieses Theater gespielt hat. Wegen der Story, stimmt’s?«
Sie leckte sich schuldbewußt über die Lippen. »Nicht wirklich. Ich gebe allerdings zu, daß mich das auf die Idee gebracht hat.« Sie griff wieder nach seinem Arm und hielt ihn diesmal fest. »Aber jetzt ist es anders, Tate, jetzt wo ich begonnen habe... Mandy zu lieben. Als ich erst einmal den Anfang gemacht hatte, konnte ich nicht einfach fortgehen und die Dinge sich selbst überlassen.«
»Wie lange wolltest du noch vorgeben, meine Frau zu sein? Hätten wir den Rest unseres Lebens im Dunkeln miteinander schlafen sollen? Sollte ich dich nie nackt sehen? Wie lange wolltest du mit dieser Lüge leben? Für immer?«
»Nein.« Ihre Hand fiel von seinem Arm. »Ich weiß es nicht. Ich wollte es dir sagen, nur –«
»Wann?«
»Wenn es Mandy besser geht und du in Sicherheit bist.«
»Also wären wir wieder bei dem Attentat.«
»Nimm das nicht so leicht. Es ist wirklich ernst.«
»Dann sag mir, wen du im Verdacht hast. Du hast mit uns zusammengelebt, seit du die Klinik verlassen hast.« Er schüttelte wieder den Kopf und lachte über seine eigene Dummheit. »Herrgott, das erklärt so viel. Die Erinnerungslücken. Shep. Das Pferd. Es erklärt so viele Dinge«, sagte er finster. Dann räusperte er sich und fragte: »Warum habe ich das nicht gesehen?«
»Weil du nicht hingeschaut hast. Du hast Carole schon seit langer Zeit nicht mehr beachtet.«
Er schien darauf nichts sagen zu wollen und kam wieder auf seinen vorherigen Gedankengang zurück. »Was glaubst du, wer mich umbringen will? Meine Eltern? Mein Bruder? Mein bester Freund? Dorothy Rae? Nein, warte — Fancy! Das ist es.« Er schnippte mit den Fingern. »Sie will meinen Tod, weil ich ihr vor ein paar Jahren mein Auto nicht leihen wollte.«
»Mach keine Witze darüber.« Avery war verzweifelt.
»Das Ganze ist doch ein Witz«, sagte er. »Ein schlechter Witz, den eine berechnende, ehrgeizige Frau mit uns allen machen will. Zugestanden, ich war ein blinder, tauber Idiot, aber jetzt sehe ich alles ganz klar.
War da nicht so eine Sache mit einem schweren journalistischen Fehler vor einem Jahr oder so — irgendwelche Behauptungen, bevor die Fakten untersucht waren? Ja, das mußt du gewesen sein. Du hast dir das alles hier ausgedacht, um deinen guten Ruf wiederherzustellen. Du warst eine Reporterin auf der Suche nach einer heißen Story, und als sich die Gelegenheit bot, hast du zugegriffen.«
Sie schüttelte den Kopf und flüsterte bekümmert: »Nein.«
»Avery Daniels, du bist hinter deiner Story her, koste es, was es wolle, nicht wahr? Diesmal warst du sogar bereit, dich dafür zu prostituieren. Machst du das mit allen Leuten, die du interviewst? Ist das die Belohnung dafür, daß sie dir ihre Geheimnisse verraten?«
Sie wickelte sich fester in ihren Bademantel. »Ich habe mich nicht prostituiert, Tate. Alles, was zwischen uns geschehen ist, war ehrlich empfunden.«
»Ha, ha.«
»Doch, wirklich!«
»Ich habe mit einer Betrügerin geschlafen.«
»Und es genossen.«
»Offensichtlich, denn darin bist du genauso gut wie im Theaterspielen!«
Ihr Ärger war mit diesem einzigen Spruch schon wieder verpufft. Jetzt standen Tränen in ihren flehenden Augen. »Du täuschst dich, Tate, bitte glaub mir doch. Du mußt vorsichtig sein.« Sie zeigte auf das Plakat. »Er wird es am Wahltag tun. Morgen.«
Er schüttelte den Kopf. »Du wirst mich nie davon überzeugen können,
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