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Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)

Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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an, daß sie ihm nicht vertraute. »Es ist wirklich möglich. Ich verspreche es. In ungefähr einer halben Stunde sind wir schon bei der Arbeit.«
    Wieder versuchte sie zu protestieren, indem sie ihr einziges Kommunikationsmittel, ihr Auge, einsetzte. Sie blinzelte wild.
    »Geben Sie ihr jetzt die Medikamente zur Vorbereitung der Operation, die werden sie etwas beruhigen«, instruierte er die Krankenschwester und rauschte hinaus.
    Avery schrie lautlos.
    Tate kam zu ihr und drückte ihre Schulter. »Es wird schon alles gutgehen, Carole.«
    Die Krankenschwester injizierte ein Beruhigungsmittel in den
IV-Schlauch. Avery spürte den leichten Ruck an dem Schlauch in ihrer Ellenbeuge. Sekunden später breitete sich die ihr inzwischen schon vertraute Wärme in ihrem Innern aus, bis sogar ihre Fußsohlen kribbelten. Das war das Nirvana, für das jeder Junkie über Leichen gehen würde — eine herrliche Gefühllosigkeit. Fast gleichzeitig kam sie sich schwerelos und durchsichtig vor. Tates Züge verschwammen und verzerrten sich.
    »Es wird alles wieder gut, das schwöre ich dir, Carole.«
    Ich bin nicht Carole .
    Sie gab sich alle Mühe, das Auge offenzuhalten, aber es fiel zu.
    »...warte auf dich, Carole«, sagte er sanft.
    Ich bin Avery. Ich bin Avery. Ich bin nicht Carole .
    Aber wenn sie aus dem Operationssaal kam, würde sie es sein.

KAPITEL 6
    »Ich verstehe nicht, worüber du dich so aufregst.«
    Tate drehte sich um und sah verärgert seinen Wahlkampfmanager an. Eddy Paschal ertrug den Blick gleichmütig. Er hatte schon aus Erfahrung gelernt, daß Tate schnell aufbrauste, sich aber genauso schnell wieder beruhigte.
    »Eddy, zum Teufel noch mal, meine Frau hat gerade eine stundenlange, schwere Operation hinter sich. Und du kannst nicht verstehen, warum ich verärgert war, als mich eine Horde von Reportern umringt hat, um mir Fragen zu stellen?« Tate schüttelte ungläubig den Kopf. »Dann sage ich’s dir noch mal ganz deutlich: Ich war nicht in der Stimmung für eine Pressekonferenz.«
    »Also gut, so war das nicht eingeplant.«
    »Keine Spur von eingeplant.«
    »Aber man hat dir vierzig Sekunden Sendezeit bei den Nachrichten um sechs Uhr und um zehn Uhr eingeräumt — bei allen drei Sendestationen. Ich habe deinen Auftritt aufgenommen und mir später wieder angesehen. Du hast gereizt gewirkt, aber das war unter den gegebenen Umständen auch nicht anders zu erwarten. Du siehst aus wie ein Opfer der gefühllosen Presse. Die Wähler werden Mitlied haben.«
    Tate lachte rauh, während er sich in einen Sessel sinken ließ. »Du bist genauso schlimm wie Jack. Du hörst nie auf, alles als Wahlkampf zu betrachten und an die Wirkung auf die Wähler zu denken — zu unseren Gunsten, zu unseren Ungunsten.« Er rieb sich das Gesicht. »Mein Gott, ich bin hundemüde.«
    »Trink ein Bier.« Eddy nahm zwei Dosen aus dem kleinen Kühlschrank und gab ihm eine, bevor er sich auf die Kante von Tates Hotelbett setzte. Einen Augenblick tranken sie schweigend. Schließlich fragte Eddy: »Wie stehen ihre Chancen, Täte?«
    Tate seufzte: »Sawyer hat angegeben wie die Großschnauze vom Dienst, als er aus dem Operationssaal kam. Von wegen ›beste Arbeit, die sein Team je gemacht hat<.«
    »War das nur Reklamegeschwätz oder die Wahrheit?«
    »Im Moment sieht sie noch nach nichts aus. Aber in ein paar Wochen wissen wir mehr...«
    Er vollzog eine undeutliche Geste und rutschte noch tiefer in den Sessel, wobei er seine langen Beine vor sich ausstreckte. Seine Stiefel erreichten fast Eddys polierte Schuhe. Tates Jeans waren das absolute Gegenteil zu Eddys mit Bügelfalten versehenen marineblauen Flanellhosen.
    Diesmal gab Eddy keinen Kommentar über Tates lässige Kleidung ab. Ihre Zielgruppe war der Mann von der Straße — hart arbeitende Texaner der Mittelklasse. Tate Rutledge sollte der Liebling der Unterlegenen werden. Er kleidete sich entsprechend — nicht als politischer Schachzug, sondern weil er sich seit den frühen siebziger Jahren immer so gekleidet hatte, als er Eddy an der Universität von Texas zum ersten Mal begegnet war.
    »Einer der Überlebenden des Absturzes ist heute gestorben«, teilte ihm Tate mit ruhiger Stimme mit. »Ein Mann in meinem Alter. Er hinterläßt eine Frau und vier Kinder. Er hatte schwere innere Verletzungen, aber sie glaubten, er würde es schaffen. Er ist an einer Infektion gestorben. Mein Gott«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Kannst du dir vorstellen, daß er es so weit geschafft hat und dann

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