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Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)

Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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Auseinandersetzung zwischen Tate und Carole schien noch eine weitere, beinahe bösartige Note zu liegen. Er behandelte sie, wie man vielleicht ein wildes Tier in einem Käfig behandeln würde. Er kümmerte sich um all ihre Bedürfnisse, aber aus vorsichtiger Entfernung. Er begegnete ihr voller Mißtrauen, als könne man ihr Verhalten niemals im voraus einschätzen. Und sicher hatte er gute Gründe dafür.
    Die beunruhigenden Gedanken wurden vorübergehend aufgeschoben, als er wieder in ihr Zimmer kam. Doch ihr freundliches Lächeln verschwand, als er sich ihrem Sessel näherte. Er machte ein finsteres Gesicht.
    »Warum schreibst du mit der linken Hand?«
    Avery erstarrte. Also war jetzt die Stunde der Wahrheit gekommen. Sie hatte gehofft, sie würde den Zeitpunkt selbst bestimmen können, aber das war nicht mehr möglich. Wie dumm von ihr! Es war höchst unwahrscheinlich, daß Carole Rutledge Linkshänderin war.
    Sie sah flehend zu ihm auf und schaffte es, mit heiserer Stimme seinen Namen auszusprechen.
    Mein Gott, hilf mir , betete sie, als sie mit der linken Hand nach dem Stift zu greifen versuchte. Sobald sie ihre wahre Identität enthüllt hatte, mußte sie ihn vor dem geplanten Attentat warnen. Sie wußte nicht viel darüber — nur, daß er sein Amt niemals antreten sollte. Vielleicht würde der Mord morgen oder schon heute abend geschehen. Vielleicht auch erst im November, aber warnen mußte sie ihn sofort.
    Wen aus seiner Familie konnte sie beschuldigen? Sie hatte sich nicht sofort zu erkennen gegeben, als sie einen Stift halten konnte, weil sie noch nicht genug Fakten kannte. Vergeblich hatte sie gehofft, mehr über den Anschlag und den, der ihn verüben wollte, in Erfahrung zu bringen.
    Und wenn sie die dürftigen Informationen dargelegt hatte, die sie kannte, würde er ihr glauben?
    Warum sollte er?
    Warum sollte er der Frau überhaupt nur zuhören, die sich über
zwei Monate als seine Frau ausgegeben hatte? Er würde glauben, sie sei eine gewissenlose Schmarotzerin, und sie hatte ja auch von seiner Hilfsbereitschaft profitiert, aber sie machte sich auch gleichzeitig wirklich Sorgen um sein und Mandys Wohlergehen.
    Der Stift bewegte sich langsam. Sie schrieb den Buchstaben w . Ihre Hand zitterte so sehr, daß sie den Stift fallen ließ. Er rollte herunter, rutschte über ihren Schoß und landete schließlich in der Ritze zwischen ihrer Hüfte und dem Polster des Sessels. Tate holte ihn wieder heraus. Seine kräftigen Finger drückten sich in ihre Hüfte. Er legte ihr den Stift wieder in die Hand und führte sie zurück zur Tafel. »W und was noch?«
    Flehend sah sie zu ihm auf und bat ihn schweigend um Vergebung. Dann schrieb sie das angefangene Wort zu Ende und drehte die Tafel zu ihm um.
    »Weh«, las er. »Es tut dir weh, deine rechte Hand zu gebrauchen?«
    Schuldbewußt nickte Avery. »Tut weh«, krächzte sie und hob die Hand, um ihm die Stelle zu zeigen, wo ihre Haut noch immer empfindlich war.
    Ihre Lüge war gerechtfertigt, redete sie sich selbst ein. Sie konnte ihm die Wahrheit nicht sagen, solange sie ihm nicht alles genau erklären konnte. Ein kurzer gekritzelter Satz, ein paar Schlüsselworte ohne weitere Erklärung hätten ihn nur verärgert und verwirrt. Und in diesem Geisteszustand würde er niemals glauben, daß jemand versuchen wollte, ihn umzubringen.
    Tate lachte ein kurzes, weiches Lachen. »Du hast Jack durcheinandergebracht. Ich kann kaum glauben, daß es mir nicht auch aufgefallen ist. Wahrscheinlich hatte ich zuviel im Kopf, um auf Einzelheiten zu achten.«
    Er legte seine Hände hinter den Rücken und streckte sich. »Nun ja, ich habe auch noch die lange Fahrt vor mir, und es ist schon spät.«
    Averys Augen schwammen in Tränen. Dieser Mann, der so gut zu ihr gewesen war, würde sie hassen, wenn er die Wahrheit herausfand. Während ihrer wochenlangen Erholungszeit war er ungewollt zum Mittelpunkt ihres Lebens geworden.
    Und jetzt mußte sie ihm seine Freundlichkeit vergelten, indem
sie ihm drei häßliche Fakten nannte: seine Frau war tot; an ihrer Stelle hatte sich eine Journalistin eingeschlichen, die sein Privatleben inzwischen genau kannte; und es gab jemanden, der versuchen würde, ihn zu ermorden.
    Aber ihre Tränen weckten nicht sein Mitleid, sondern provozierten ihn eher. Er sah verärgert zur Seite und bemerkte dabei die Zeitungen, die in einem Stapel auf dem Fensterbrett lagen. Es waren ältere Ausgaben, die den Flugzeugabsturz beschrieben. Er zeigte auf die

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