Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)
er und versuchte, ihr seine Hand zu entziehen, »nicht.«
»Bitte, Tate. Ich möchte dir danken für alles, was du für mich getan hast. Seit ich zum ersten Mal wieder zu Bewußtsein gekommen bin, wäre ich oft am liebsten gestorben. Bestimmt hätte ich den Kampf verloren, wenn nicht deine Ermutigungen gewesen wären. Du warst so...« Sie schluckte, versuchte jedoch nicht, die Tränen aufzuhalten, die über ihre Wagen liefen. »Du hast mir so viel Kraft gegeben. Vielen Dank.«
Sie sagte das aus vollem Herzen. Jedes Wort war wahr. Und als einfache Reaktion auf ihre Gefühle stellte sie sich auf die Zehenspitzen und berührte seine Lippen mit den ihren.
Er riß den Kopf zurück. Sie hörte, wie er überrascht Atem holte, und spürte, daß er zögerte, während er ihr Gesicht musterte. Dann senkte er den Kopf. Seine Lippen berührten ihre nur kurz und flüchtig.
Sie näherte ihren Körper dem seinen noch etwas und hob den Kopf weiter seinen Lippen entgegen. Dabei murmelte sie: »Tate, bitte küß mich.«
Mit einem leisen Stöhnen drückte er seinen Mund auf den ihren. Er umfaßte ihre Taille, zog sie an sich und legte dann eine Hand an ihren Hals, während seine Zunge mit ihren Lippen spielte, um sie zu öffnen.
Plötzlich hob er den Kopf. »Was zum —«
Er sah ihr tief in die Augen, während seine Brust sich gegen ihre drückte. Obwohl er dagegen ankämpfte, wanderte sein Blick zu ihrem Mund zurück. Er schloß die Augen und schüttelte den Kopf, als wehre er sich gegen etwas Unerklärliches, dann senkte er seine Lippen wieder auf ihren Mund.
Avery erwiderte seinen Kuß mit all der Sehnsucht, die sie schon seit Monaten hegte. Ihre Lippen verschmolzen miteinander voller Hunger. Je mehr er von ihr bekam, desto mehr wollte er, und desto mehr wollte sie ihm geben.
Er legte eine Hand auf ihre Hüfte und drückte sie an sich und gegen seine Erektion. Sie wölbte sich ihm entgegen, hob ihre Hände zu seinem Nacken und zog seinen Kopf näher.
Und dann war alles zu Ende.
Er stieß sie von sich, und sie beobachtete traurig, wie er sich mit dem Handrücken den Mund abwischte. Sie stieß einen kleinen, schmerzlichen Laut aus.
»Es läuft nicht, Carole«, sagte er angespannt. »Ich kenne dieses neue Spiel nicht, und solange ich die Regeln noch nicht beherrsche, weigere ich mich mitzuspielen. Du tust mir leid, weil du soviel durchmachen mußtest, und da du meine Frau bist, habe ich getan, was mein Pflichtgefühl von mir verlangt. Aber auf meine Gefühle hat das keinen Einfluß. Sie haben sich nicht geändert. Verstanden? Nichts hat sich geändert.«
Er griff sich seinen Mantel und verließ das Zimmer, ohne noch einmal zurückzuschauen.
Eddy trat in den Hof. Die Maisonne hatte viele Pflanzen zum Blühen gebracht. Moosrosen bedeckten die Beete.
Doch jetzt war es dunkel, und die Blüten hatten sich geschlossen. Der Hof wurde indirekt von Lampen erhellt, die zwischen den Pflanzen angebracht waren. Sie warfen hohe, dürre Schatten auf die weißgekalkten Wände des Hauses.
»Was machst du hier draußen?« fragte Eddy.
Tate saß in einem Gartensessel. »Ich denke nach.«
Er dachte an Carole — daran, wie ihr Gesicht im Spiegel ausgesehen hatte, als er in ihr Zimmer gekommen war. Es hatte gestrahlt. Ihre dunklen Augen hatten gefunkelt, als bedeute seine Ankunft etwas Besonderes für sie. Er entschied, daß das eine meisterliche schauspielerische Leistung gewesen war. Einen verrückten Augenblick war er sogar darauf hereingefallen. Idiotisch.
Wenn er einfach hinausgegangen wäre, sie nicht berührt und nicht liebkost hätte, wäre er jetzt nicht so schroff zu seinem Freund. Eine Flasche Whisky stand neben ihm, und er hatte Mühe, gegen die Erregung, die seinen Körper seit dem Kuß entflammte, anzukämpfen. Verärgert über sich selbst griff er noch einmal nach der Flasche und goß etwas über die schmelzenden Eisstücke in seinem Glas.
Er war scharf und hatte Lust auf seine untreue Ehefrau. Die
Treulosigkeit könnte er ihr ja vielleicht noch irgendwann vergeben, aber das andere niemals. Das nie.
»Warst du bei Carole?« fragte Eddy, der die Ursache von Tates finsterer Stimmung erriet.
»Ja.«
»Hast du ihr den Zettel gegeben?«
»Ja. Weißt du, was sie gemacht hat? Sie hat ihn zerrissen.«
»Ich habe das zu ihrem eigenen Besten geschrieben.«
»Das solltest du ihr selbst klarmachen.«
»Das letzte Mal, als ich ihr etwas zu ihrem Besten gesagt habe, hat sie mich Arschloch genannt.«
»Heute abend war sie
Weitere Kostenlose Bücher