Trügerisches Spiel (German Edition)
etwas anzulasten, von dem wir genau wissen, dass er es getan hat, aber er hat es immer geschafft, der Strafe zu entkommen. Ich möchte nichts lieber, als ihn ins Gefängnis bringen.« Sein Magen krampfte sich zusammen, als er an Rizzos entstellten Körper dachte.
»Dann bin ich wohl zu dem richtigen Mann gekommen.«
Ernst sah Jay sie an. »Ich werde mir Ihren Fall ansehen und versuchen, Hinweise darauf zu finden, wer Sie verraten haben könnte, und auch Beweise dafür, dass Leone hinter dem Überfall auf Sie steckt. Aber ich kann nicht versprechen, dass es mir gelingen wird.«
Die Anspannung verließ für einen Moment Jocelyns Körper. »Das reicht mir.«
»Gut. Ich möchte, dass Sie mir alles erzählen, was Sie über die ganze Sache wissen, ich werde jede Information brauchen.«
»Ja, natürlich.«
Jay sah auf, als die Bedienung an den Tisch trat und das Essen brachte. Er wartete, bis sie die Teller hingestellt und sich wieder zurückgezogen hatte, bevor er antwortete. »Später. Essen Sie jetzt erst einmal, Sie werden die Kraft brauchen.«
Das ließ Jocelyn sich nicht zweimal sagen. Sie attackierte das Steak, als hätte sie seit Monaten so etwas nicht mehr gegessen. Ihre Augen schlossen sich jedes Mal, wenn sie ein Stück in den Mund schob. Jay musste schlucken, als er ihren entrückten Gesichtsausdruck sah. Während derjenige, der ihr das angetan hatte, unbehelligt und gut genährt in seinem Luxus-Loft saß, hatte Jocelyn Callaghan ihr ganzes Leben hinter sich lassen müssen und anscheinend nicht einmal genug zu essen bekommen. Die altbekannte Wut wühlte in seinem Magen und verwandelte die Pommes in seinem Mund in Sägespäne. Plötzlich appetitlos schob er den Teller von sich und trank stattdessen lieber einen Schluck von seinem Bier.
Es dauerte einige Minuten, bis Jocelyn merkte, dass er gar nichts aß. Zögernd legte sie die Gabel zur Seite. »Sie wollten gar nicht essen gehen, oder?«
»Doch, aber mir ist der Appetit vergangen.«
Jocelyns Wangen färbten sich rot, ihr Blick senkte sich auf den Tisch. »Es tut mir leid, ich hätte nicht …«
Verwirrt sah Jay sie an. »Was?«
»Kein Wunder, dass Ihnen der Appetit vergeht, so wie ich gegessen habe.«
Erschreckt ruckte ihr Kopf hoch, als Jay seine Hand auf ihre legte und sie festhielt, als sie sie zurückziehen wollte. »Es liegt nicht an Ihnen, sondern daran, dass es mich wütend macht, wenn jemand wie Leone mit so etwas durchkommt. Es ist offensichtlich, wie sehr Sie in den letzten Monaten gelitten haben. Meinetwegen können Sie auch mit den Fingern essen, Sie haben jedes Recht dazu.«
»Oh.« Jocelyn schien von seinem Ausbruch überrascht zu sein. Schließlich glitt ein flüchtiges Lächeln über ihre Lippen. »Danke. Aber mir wäre es wirklich lieber, wenn Sie auch etwas essen würden, dann komme ich mir nicht so verfressen vor.«
Jay war überrascht, wie sehr das Lächeln sie veränderte. Als würde die wahre Frau für einen Moment durch ihre unvorteilhafte Verkleidung schimmern. Diesmal war es nicht Wut, die das Flattern in seinem Magen verursachte. Irritiert schüttelte er den Kopf und zog seine Hand zurück. Er würde Jocelyn helfen, damit sie wieder ihr normales Leben führen konnte, sonst nichts. Befriedigt, den kurzen, merkwürdigen Anflug verscheucht zu haben, machte er sich wieder über sein Essen her. Das Klappern von Besteck zeigte ihm, dass auch Jocelyn weiteraß. Jay blickte nicht wieder auf, denn er wollte nicht, dass sie sich beobachtet und unwohl fühlte.
Es war kein unangenehmes Schweigen, trotzdem war Jocelyn froh, als Jay schließlich bezahlte, sie den Imbiss verließen und in den Wagen stiegen. Sie hatte zwar gehofft, dass er ihr half, aber sie hatte nicht erwartet, dass er so … mitfühlend sein würde. Von Katherines Erzählungen hatte sie eher in Erinnerung behalten, dass Jay Hunter zwar charmant war und seine jeweilige Freundin gut behandelte, aber grundsätzlich emotional eher unbeteiligt blieb. Er wirkte wie jemand, mit dem man Spaß haben konnte, der aber für ernsthafte Beziehungen ungeeignet war. Vermutlich war das unfair, schließlich kannte sie ihn überhaupt nicht näher. Außerdem wollte sie auch keine Beziehung mit ihm eingehen, deshalb war es völlig egal. Ein leises Gefühl des Bedauerns durchfuhr sie, als sie sein markantes Profil betrachtete. Mit seinen verwuschelten goldbraunen Haaren, den hohen Wangenknochen unter den beinahe schwarzen Augen, der langen, geraden Nase und dem Mund, der genauso aussah,
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