Trügerisches Spiel (German Edition)
neugieriger Blick auf ihm. Jay konnte es seinem Partner nicht verdenken, doch er war immer noch nicht sicher, wie viel er erzählen sollte. Deshalb hängte er erst einmal seine Jacke an den Garderobenständer, bevor er sich in seinen Stuhl fallen ließ.
»Morgen.«
Dave wartete einige Sekunden, dann verdrehte er die Augen. »Echt, das ist alles? So als wäre gestern nichts Ungewöhnliches passiert? Als hätte dir keine Schwangere aufgelauert?«
Jay verzog den Mund. »Sie hat mir nicht aufgelauert. Und nein, es ist nicht mein Kind.«
»Das dachte ich mir schon, sonst wärst du nicht so locker drauf.« Dave beugte sich vor. »Und, wer ist sie nun?«
»Lass mich erst mal ein wenig recherchieren, dann erzähle ich dir, was los ist.« Aber nur, wenn er sicher war, Jocelyn damit nicht in Gefahr zu bringen. Hier hatten die Wände Ohren, und es wurde mehr getratscht als beim Kaffeeklatsch.
Dave gab ein skeptisches Grunzen von sich. »Aber wehe, du lässt mich noch mal so hängen wie gestern Nachmittag.«
Grinsend schaltete Jay seinen PC an. Da er bereits seit etlichen Jahren mit Dave zusammenarbeitete, war er die neugierige Art seines Partners gewöhnt. Es musste ihm wirklich schwerfallen, sich zurückzuhalten und ihn nicht weiter auszufragen. Jay wurde ernst, als er sich in die Datenbank einloggte und die Informationen zu den Fahrstuhlmorden aufrief. Er scrollte die Seite hinunter, bis er zu einem Bild von Jocelyn kam. Sein Herz setzte einen Schlag aus, als er die Porträtaufnahme sah, die eindeutig aus besseren Zeiten stammte. Darauf lächelte Jocelyn, und ihre hellgrünen Augen strahlten. Am auffälligsten war aber die lange rotblonde Mähne, die in sanften Wellen ihr Gesicht umrahmte. Auch wenn er es schon geahnt hatte, machte diese extreme Veränderung deutlich, wie sehr Jocelyn unter den Ereignissen gelitten hatte.
Jay schüttelte den Kopf und wandte sich den schriftlichen Informationen zu. Jocelyn Callaghan, dreißig Jahre alt, Medizinstudentin im fünften Semester, arbeitete stundenweise als Aushilfssekretärin bei einem Steuerberater. Darunter stand nur noch der Vermerk, dass sie ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen wurde. Wahrscheinlich war das der Grund für die mageren Angaben zu Jocelyn. Zu gerne hätte er gewusst, warum sie in ihrem Alter noch Studentin war, aber hier würde er nichts weiter über seinen Hausgast herausfinden. Er scrollte wieder nach oben und las sämtliche Informationen zu den beiden getöteten Anwälten und dem verhafteten Täter. Zum Schluss nahm er sich den Zeugenbericht von den Ereignissen im Fahrstuhl vor. Die Haare in seinem Nacken stellten sich auf, als er sich Jocelyns Kampf mit dem Mörder auf so engem Raum vorstellte. Es war ein Wunder, dass sie noch lebte. Jetzt verstand er auch, warum sie unbewusst sofort gegen jeden Mann kämpfte, der ihr zu nahe kam.
Sein Schaft zuckte kurz, und er spürte ein schmerzhaftes Ziehen, als er sich daran erinnerte, wie effektiv sie diese Waffe einsetzen konnte.
»Du solltest deinen Gesichtsausdruck sehen.«
Sein Kopf ruckte hoch, als Daves Stimme unerwartet erklang. Er war so in seine Lektüre vertieft gewesen, dass er nicht mehr an seinen Partner gedacht hatte. »Du würdest genauso aussehen, wenn du wüsstest, woran ich gerade denke.«
Dave lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. »Tja, das kann ich nicht beurteilen, da du mir ja keinerlei Informationen gibst.«
Jay rollte mit den Augen, wusste aber, dass die Sache zu groß war, um sie alleine zu bewältigen. Schließlich musste Dave ihn decken, während er seine inoffiziellen Ermittlungen durchführte. Also winkte Jay ihn zu sich. »Kein Wort.« So schnell wie selten zuvor war Dave neben ihm. »Wow, hätte ich gewusst, wie es sich auswirkt, wenn ich etwas vor dir zurückhalte und deine Neugier wecke, hätte ich das schon eher gemacht.«
»Idiot.« Daves Blick glitt zum Monitor, und er beugte sich vor. Rasch las er die ersten Zeilen. »Mist.«
Das war noch viel zu harmlos ausgedrückt. Jay tippte auf Jocelyns Foto und das Wort Zeugenschutzprogramm. Daves Augenbrauen hoben sich, und er nickte. Jay konnte genau den Moment erkennen, als sein Partner das Wort Leone las. Sein Mund presste sich zu einer dünnen Linie zusammen, eine Ader pulsierte an seiner Schläfe. Ja, sie waren eindeutig einer Meinung, wenn es um den Mafiaboss ging.
»Ich möchte, dass das unter uns bleibt, Dave. Ihr Leben hängt davon ab.«
»Natürlich.« Sein Partner sah auf.
Weitere Kostenlose Bücher