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Trugschluss

Trugschluss

Titel: Trugschluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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Bananenrepublik.
    Dann erklärte er seinem Begleiter, dass es
hier unten weder einen Fahrscheinautomaten, noch einen Verkaufsstand gebe.
Bezahlt werde beim Umsteigen auf halber Strecke, droben in Suvigliana.
    Wie lange es bis zur nächsten Fahrt sein
würde, signalisierte eine beleuchtete Anzeige. Noch sechs Minuten.
    »Ein seltsames Rendezvous«, sinnierte der
Theologe und ließ seinen Blick das steil aufsteigende Gleis entlang wandern,
das von dichtem Bewuchs umgeben war. »Heute sagt man glaub ich ›Blind date‹
dazu, stimmt’s?«
    Häberle lächelte und ging ein paar
Schritte an dem Gleis entlang, um noch weiter nach oben schauen zu können. »Ja,
ja, soll so sein«, stimmte er zu, »und es ist für jegliche Art von
Überraschungen gut.« Er lächelte.
    Plötzlich ein mechanisches Rumpeln und
Klicken. Der Mechanismus erwachte zum Leben und setzte über ein großes Rad das
Zugseil zwischen dem Gleis in Bewegung.
    Wenig später tauchte ein ruckelnder
Kabinenwagen auf, der mit seiner mehrfach abgestuften Form dem Steilhang
angepasst war. Das altertümlich wirkende Gefährt, das wie eine Straßenbahn aussah,
die vorsichtig vom Berg abgeseilt wurde, rumpelte in die Talstation hinein und
kam sanft zum Stehen. Zwei ältere Damen stiegen aus, grüßten und strebten der
Treppe zu.
    Häberle und Brobeil betraten den untersten
abgestuften Wagenbereich, der mit spartanischen Sitzbänken ausgestattet war.
Die beiden Männer blieben die einzigen Fahrgäste.
    »Wie weit geht das rauf?«, wollte Brobeil
leicht verunsichert wissen.
    »Auf über 1600 Meter«, wusste Häberle, »an
manchen Stellen bis zu 60 Prozent.«
    Der Theologe runzelte die Stirn. »Die
reinste Himmelfahrt, was?«
    Häberle grinste. »Hoffentlich nicht. Ich
möcht noch ein bisschen hierbleiben.«
    Dann setzte sich die Kabine ruckelnd in
Bewegung. Sie verließ das Gebäude und stieg den Steilhang empor, vorbei an
immergrünen Pflanzen und Sträuchern, an Palmen und dem frischen Grün der
Laubbäume. Die Männer, die im letzten Wagenteil standen, fühlten sich wie in
einem Flugzeug, das zunehmend an Höhe gewann. Beim Blick aus dem Fenster sahen
sie die Dächer der umliegenden Gebäude an sich vorbeiziehen – und schon tauchte
auch die glitzernde Fläche des Luganer Sees auf, der am jenseitigen Ufer von
dem bläulich schimmernden San Salvatore beherrscht wurde.
    Das Gleis verlief durch leichte
Einschnitte, vorbei an gemauerten Stützwänden und privaten Gärten, überquerte
Wege und schien längst in diese Hanglandschaft integriert zu sein. Häberle
drehte sich um und versuchte, in Fahrtrichtung zu schauen. Doch der
Kabinenwagen bestand aus vier, fünf nach oben abgesetzten und abgeteilten
Passagier-Ebenen, sodass man trotz der Verglasung den vorderen Gleisverlauf von
hinten aus nicht überblicken konnte. Häberle fielen links der Fahrtrichtung
zwei Männer auf, die direkt am Gleiskörper standen und die Kabine irgendwie
erwartungsvoll an sich vorbeiziehen ließen. Auch Brobeil wurde auf sie
aufmerksam. »Was sind denn das für Typen?«, fragte der Theologe, der seit
einigen Minuten ziemlich wortkarg geworden war.
    Der Kriminalist zuckte mit den Schultern
und behielt sie durch die Heckscheibe im Auge. Denn kaum war die Kabine an
ihnen vorbeigewesen, betraten die Männer das Gleis, um sich einer Umlenkrolle
anzunehmen, in der das Zugseil verlief.
    Brobeil verengte die Augenbrauen: »Sehen
Sie das«, seine Stimme verriet plötzliche Panik, »die manipulieren am Seil.«
    Die Kabine hatte inzwischen die Hälfte der
ersten Etappe überwunden, denn in diesem Moment war die Ausweichstelle für den
entgegenkommenden Wagen erreicht.
    Häberle und Brobeil versuchten mit
zusammengekniffenen Augen herauszufinden, was die Männer da hinten taten. Doch
um dies zu erkennen, waren Entfernung und Höhendifferenz zu ihnen schon viel zu
groß.
    Brobeil schickte ein Stoßgebet zum Himmel.

63
     
    Das Kopfhaar war dünn, aber sehr lang und vor allem genauso
schneeweiß, wie der Vollbart. Der Mann, dessen rundliches Gesicht gemütlich und
sympathisch wirkte, musste ein Künstler sein – oder ein Wissenschaftler. Ein
Aussteiger vielleicht, ein Querdenker. Er hatte die dreieinhalb Monate, die er
jetzt im Tessin lebte, genossen und sich an das neue Leben gewöhnt. Er spürte
die Leichtigkeit, die von dieser Landschaft und ihrem Klima ausging. Nie zuvor
war ihm so sehr bewusst geworden, welchen enormen Einfluss das Wetter auf die
Psyche des Menschen hatte. Diese Täler von der

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