Trust Me - Blutiges Grauen
müssen, was er vorhatte! Stattdessen hatte er ein schreckliches Chaos angerichtet und allen wehgetan.
Aber sie hatte sich auch nicht gerade vorbildlich verhalten. Vielleicht gab er sich wirklich Mühe, alles richtig zu machen – nicht anders als sie. Sie verhielt sich in letzter Zeit tatsächlich ein bisschen verrückt. Seit sie von Olivers Entlassung aus dem Gefängnis erfahren hatte, befand sie sich auf einer emotionalen Achterbahnfahrt.
Konnte sie sich auf ihre Gefühle verlassen? Auf ihre Vermutungen?
Oliver hatte sich kühl und distanziert beim Sex verhalten. Aber er war nicht direkt brutal oder gewalttätig gewesen. Nicht wirklich. Natürlich musste es merkwürdig sein, nach drei Jahren das erste Mal wieder mit ihm zu schlafen. Vielleicht war sie ja weggelaufen, bevor sie ihrer Ehe nach seinem Gefängnisaufenthalt überhaupt eine Chance geben konnte? Sie hatten doch immerhin etwas Besonderes zusammen gehabt, eine gute Beziehung, einen starken Familienzusammenhalt – so etwas wie den amerikanischen Traum. Das wollte er so gern wieder aufbauen. Wünschte sie sich das nicht auch?
Sie starrte auf den Wasserfleck in der Ecke der Zimmerdecke. Oder war ihr
das hier
lieber?
“Vor der Sache mit Skye Kellerman war alles in Ordnung”, flüsterte sie. Danach hatte es nur Ärger und Leid gegeben. Dann war doch Skye Kellerman an allem schuld, nicht Oliver, oder?
Noah war jedenfalls dieser Meinung, Betty und Maurice ebenfalls. Und das waren die Menschen, denen sie immer hatte vertrauen können. Jetzt noch hörte sie deren Worte im Geist:
Du verhältst dich ziemlich verrückt … Er ist unschuldig …
Sie bekam Kopfschmerzen von diesem vielen Grübeln. Am liebsten wäre sie aufgestanden und im Zimmer umhergelaufen. Aber sie rührte sich nicht, aus Angst, Kate aufzuwecken. Dann hätte sie sich auch noch zusätzlich mit den Fragen ihrer Tochter beschäftigen müssen. Sie hatte keine Ahnung, was sie tun sollten, wohin sie gehen und wem sie vertrauen konnten.
Doch irgendetwas musste sie unternehmen. Hier konnten sie nicht ewig bleiben. Es war schon fast elf Uhr. Um zwölf müssten sie das Zimmer verlassen.
So leise wie möglich kroch sie aus dem Bett, zog ihr Adressbuch aus der Handtasche und blätterte es durch. Sie musste irgendjemanden kennen, bei dem sie ein paar Tage unterkommen konnten, während sie sich ihre weiteren Schritte überlegte. Oder nicht?
Nein
, stellte sie frustriert fest und ließ die Schultern hängen,
eigentlich nicht.
Die meisten Leute in ihrem Adressbuch waren aus ihrem früheren Freundeskreis. Jane wusste überhaupt nicht, warum sie diese Adressen noch aufbewahrte. Um sich zu beweisen, dass sie einst mit den Reichen und Mächtigen zu tun gehabt hatte? Wahrscheinlich. Denn die einzige Person, der sie genug vertraute, um sie anzurufen, hatte sie vergangenes Jahr kennengelernt. Jemand, dem es finanziell genauso schlecht ging wie ihr. Danielle.
Aber Danielle war jetzt nicht zu Hause. Sicher war sie gerade unterwegs zur Arbeit. Es war Samstag. Jane hätte heute eigentlich auch Dienst. Wenn sie dort nicht erschien, würde sie den Job verlieren …
“Mommy?”
Jane hielt die Luft an, als sie Kates erwartungsvolle Stimme hörte. “Ja?”
“Ich mag das Zimmer nicht”, sagte die Kleine. “Können wir nicht nach Hause fahren?”
Jane gefiel es hier auch nicht. Aber noch mehr ängstigte sie die Tatsache, dass alles noch viel schlimmer kommen könnte.
“Warte … lass mich mal sehen.” Ihr Handyakku war leer, und sie hatte das Ladegerät nicht mitgenommen. Deshalb nahm sie den Hörer des Zimmertelefons ab, atmete tief durch und wählte ihre Nummer zu Hause. Vielleicht bat Oliver sie ja, zu ihm zurückzukommen. Versprach ihr, dass alles wieder gut würde. Sie wollte es so gern glauben, sehnte sich so verzweifelt danach, es glauben zu können …
Sie drehte das Kabel des altmodischen Apparats nervös zwischen den Fingern, während sie es einmal, zweimal, dreimal klingeln ließ.
Der Anrufbeantworter sprang an. “Hier ist der Anschluss von Jane und Kate Burke. Zurzeit sind wir nicht zu erreichen …”
Sie hatte die Ansage immer noch nicht geändert. War das ein Beweis dafür, dass sie Oliver eigentlich gar nicht zurückhaben wollte? War sie selbst die Ursache für alle Probleme? Weil sie zweifelte und skeptisch war, ihn nicht akzeptierte, weil sie sich eigentlich nach Noah sehnte?
“Oliver”, sagte sie. “Wenn du da bist, geh bitte ans Telefon. Es … tut mir leid. Ich … bin so
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