Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
unregelmäßig geformter, heller Fleck. Es tat nicht weh und Michael machte sich keine Gedanken. Dann bemerkte er es zwischen den Beinen – oder war das zuerst da gewesen? Das war nicht schön, es verursachte nur das unangenehme Gefühl, dass etwas nicht ganz so in Ordnung war, wie es hätte sein sollen. Er nahm sich vor, einen Hautarzt aufzusuchen, vergaß es wieder, bis der nächste Fleck sich am Hals zu bilden begann. Und dann kamen die Flecken im Gesicht und verunstalteten alles.
Es war eine Zeit des Umbruchs. Tagtäglich lag ihm sein Vater im Ohr, den Vertrag mit ihm als Manager zu erneuern und wieder mit den Brüdern aufzutreten. Touren brachten das meiste Geld und das brauchten sie alle – außer Michael. Alle rannten dem Geld hinterher, weil es ihnen wichtig war... Michael floss es zu, weil er sich mit Herz und Seele seiner Arbeit verschrieb. Doch mit seinem Talent war er ihrer aller Lebensversicherung. Joseph war kein böser Mensch. Aber wenn er etwas wollte, war er stur und Michael war jemand, der schlecht nein sagen konnte, weil er niemandem wehtun wollte.
Joe schrie Mike an, dass er nur über die Familie groß geworden sei und er in deren Schuld stehe. Was er sich einbilde, wer er sei? Er sei gar nichts! Michael wich ihm aus. Aber das war keine leichtes Unterfangen: Er lebte immer noch zuhause, in Encino, Hayvenhurst, und war damit allzeit greifbar. Wenn Joe danach war, stürmte er einfach in Mikes Zimmer. Er war nach wie vor in der Lage, Michael fertigzumachen.
Man fragt sich unwillkürlich, wie jemand mit diesem exorbitanten Erfolg, noch an sich zweifeln kann. Aber allein die Tatsache, dass es möglich und Michael kein Einzelfall ist, zeigt, dass Erfolg essenzielles Selbstbewusstsein nicht aufbauen kann. Oft übertüncht er nur.
Und obwohl es kaum jemanden gab, der nicht mit leuchtenden Augen auf Michael reagierte, fühlte er sich dessen nie wert. Wie ein Wahnsinniger suchte er nach Fehlern bei sich selbst. In seinem Tanz, der perfekter, der Chroreographie, die besser hätte sein können, die Drehung, die nicht schnell genug, ein Ton, der nicht hoch genug gesungen war. Perfektion war Schutz und Eigenanspruch, weil er insgeheim das Gefühl hatte, dass auch die Menschen draußen nach Fehlern suchten... so wie sein Vater immer nach Fehlern gesucht hatte, so wie die Presse die kleinste Fliege zum Elefanten machte.
Dieser Drang zur Perfektion, vom Aussehen bis zum Können, verschaffte ihm zwar die Krone der Popwelt – wurde aber auch zum Stolperstein. Das Gefühl, nur fehlerlos existieren zu dürfen, saß tief. Instinktiv glaubte er, das wäre die Grundlage für Liebe. Sich und anderen keine Möglichkeit zu geben, ihm etwas vorwerfen zu können. Gott wollte Perfektion.
Die unerkannte Angst beherrschte ihn, dass die Leute, wenn sie ihn persönlich sahen, nicht mehr mögen könnten, dass sie sagen würden, er sähe ganz anders aus als auf Fotos. Die Hautkrankheit schritt weiter voran und sie machte ihn immer scheuer, ungelenk im Umgang mit Erwachsenen.
Und der erfolgreichste Popstar aller Zeiten, dem die Welt zu Füßen lag, fragte schüchtern seinen Fotografen, mit dem er einen Award besuchte:
„Da drüben steht Mr... meinst du, er wäre einverstanden, sich mit mir fotografieren zu lassen?“
Und der Fotograf antwortete, völlig verblüfft: „Meinst du nicht, dass er eher danach aus ist, mit dir fotografiert zu werden?“
***
Panisch saß Michael bei einem Hautarzt. Die Arzthelferin brachte fast den Mund nicht mehr zu, als sie sah, welch prominente Patienten ihr Chef hatte und hechelte sich im Schwesternzimmer Luft zu, bevor sie in den Behandlungsraum ging. Michael saß in Boxershorts auf der Liege und fühlte sich unbehaglich, als sie hereinkam.
„Michael“, sagte Dr. Klein, „das ist Debbie. Sie ist verschwiegen. Sie können sich auf sie verlassen.”
Michael nickte. Es war ihm trotzdem peinlich. Er hatte null Erfahrung mit Mädchen, er schämte sich. Aber Debbie war freundlich und burschikos. Mit ihrem trockenen Humor nahm sie ihm schnell die Scheu und Michael lachte nach anfänglicher Schüchternheit herzhaft über ihre nicht ganz jugendfreien Witze.
Als er das zweite Mal kam, brachte er ihr eine signierte Platte von sich mit. Und ein Poster.
„Tja“, sagte der Arzt und schaute Michael über die Brillenränder an, „Sie haben Vitiligo, junger Mann.“ Er erklärte ihm, dass diese Krankheit manchmal durch die Pubertät gestoppt werden könne – was bei Michael nicht der Fall
Weitere Kostenlose Bücher