Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
versammelt. Zehn Minuten später soll das Urteil verkündet werden. Stumm nehmen die Gerichtsdiener neben ihm Stellung. Michael senkt den Kopf.
Wie eine Statue sitzt er auf seinem Platz. Mehr denn je sind alle Augen auf ihn gerichtet. Mehr denn je seine Gefühle allen, allen preisgegeben. Sein Herz schlägt und schlägt, wie ein panischer Vogel, der gegen den Käfig donnert. Eine Tür öffnet sich. Wild macht sein Herz einen Sprung. Die Geschworenen kommen herein. Ernst, gefasst. Mit nach unten gerichteten Blicken, einer nach dem anderen, undurchdringliche Minen. Stumm, nahezu geräuschlos setzen sie sich. Im Gerichtssaal ist es so still, man meint, den Tanz der Staubkörner im Sonnenlicht vernehmen zu können. Michael hebt langsam den Blick. Sein Ankläger, der District Attorney, starrt ihn an und auf seinem Gesicht liegt Triumph. Der Knoten in Michaels Hals schwillt an, dick, fest, droht ihn zu ersticken. Er beißt sich auf die Lippen. Mühsam versucht er, die immer stärker werdende Panik zu unterdrücken. Unerträglich lange Sekunden ticken in den Raum.
Ein weibliches Jurymitglied steht auf.
Ein Schriftstück in ihren Händen.
Sein Leben in ihren Händen.
Draußen stehen, sitzen schweigend die Fans. Die Spannung ist greifbar, grausam. Viele haben die Augen geschlossen, umklammern ihren Nachbarn. Viele beten. Viele weinen. Lautsprecher sind aufgebaut, die das Urteil direkt aus dem Gerichtssaal an die Fans weitergeben. Eine Frau hat einen Käfig mit weißen Tauben dabei. Es ist so still. So still...selbst von den Reportern, die draußen ausharren, kommt kein Ton. Kein Räuspern, kein Kratzen, nichts.
Dann knackt der Lautsprecher. Man hört Papierrascheln. Man hört die Stimme der Jurorin, die mit klarer Stimme das Urteil verliest:
Anklagepunkt Nr. 1: Nicht schuldig... Anklagepunkt Nr. 2: Nicht schuldig...Nr. 3: Nicht schuldig... nicht schuldig...nicht schuldig...nicht schuldig...Sie sprechen Michael in allen Anklagepunkten vollständig frei.
Die Fans brechen in frenetischen Jubel aus. Alle schreien sich den Druck von der Seele, tanzen und weinen vor Glück. Waren sie während der Dauer des Prozesses von der Polizei des Districts gegängelt und gemaßregelt worden, gibt es nun keine Grenzen mehr. Sie umarmen sich, springen und hüpfen und grölen wie die Verrückten. Sie singen Michaels Lieder wie eine Siegeshymne, drehen ihre mitgebrachten Anlagen bis zum Anschlag auf und tanzen den Befreiungstanz. Vor dem Gerichtshof ist innerhalb von Sekunden die Hölle los.
Die weißen Tauben fliegen in den Himmel, eine nach der anderen - in die Freiheit.
***
Drinnen im Gerichtssaal saßen die Reporter und die Ankläger mit jedem einzelnen „nicht schuldig“ fassungsloser auf ihren Plätzen. Und mit dem letzten offiziellen Satz der Jury explodierten auch die Emotionen im Gerichtssaal.
Michael Jackson war, ihren einseitigen Reportagen zum Trotz, ein freier Mann.
Alles schrie durcheinander, die Familienmitglieder umarmten sich, die Reporter brüllten durch die Gegend, die Zuhörerschaft tobte aufgewühlt, Chaos brach aus, die Gerichtsdiener riefen vergeblich um Ruhe. Der Lärm war ohrenbetäubend.
Michael stand inmitten des Tumultes wie im Auge eines Hurricans. Eine einzelne Träne rollte ihm die Wange hinunter. Er drückte ein Taschentuch an die Augen. Sekundenlang. Dann blickte er zur Jury, zu den zwölf Menschen, die der monatelangen Manipulation getrotzt hatten, die die Würde des amerikanischen Justizsystems gewahrt und ernst genommen hatten und seine Lippen formten, über das hybride Geschrei hinweg, lautlos die Worte:
„Thank you.“
Die Erleichterung in ihm blieb aus. Die Show war noch nicht zu Ende. Er musste raus aus diesem Rummel. Keine Gelegenheit, den Gefühlen freien Lauf zu lassen. Die Qual, sich beherrschen zu müssen, brachte ihn fast um. Aber er ging mit seiner Familie, die ihn alle umarmt hatten, nach draußen. Er winkte nicht. Er hatte gerade noch die Kraft, seine Hand zum Gruß für die Fans hochzuhalten. Pflichtbewusst stieg auf das Dach seines SUVS, aber er jubelte nicht. Es gab nichts zu jubeln. Er zählte die Sekunden, bis er ins Auto kam und zählte sie erneut, bis sie in Neverland waren, bis er endlich, endlich seinen Tränen freien Lauf lassen konnte. Er wusste, es war nicht vorbei.
„Die Medien standen Kopf“, erzählte mir Grace. „Sie hatten so fest mit einem Schuldurteil gerechnet - und wollten bis zum Schluss Recht behalten. Niemand hatte sich auch nur eine Sekunde der Fakten
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