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TS 04: Das endlose Schweigen

TS 04: Das endlose Schweigen

Titel: TS 04: Das endlose Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilson Tucker
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anderen aber schon tot waren. Gary hatte plötzlich eine fast irrsinnige Idee, und sie bereitete ihm Vergnügen.
    Was wäre, wenn er jetzt ein Telefon hier hätte, ein richtiges funktionierendes Telefon? Er würde die Sendestation anrufen und den Ansager bitten, ein bestimmtes Lied zu spielen.
    „Was?“ würde der Ansager erstaunt ausrufen, wenn er erführe, von wo aus der Anruf käme.
    „Ich sagte“, würde Gary wiederholen müssen, „daß ich von Wisconsin aus anrufe. Ich möchte das Lied hören.“
    „Aber Sie leben ja gar nicht!“ würde der verblüffte Ansager behaupten, und Gary konnte sich sein Gesicht vorstellen. „Dort in Wisconsin lebt kein Mensch mehr!“
    „Es leben noch genug Menschen hier, Sie dürfen eben nicht alles glauben, was man Ihnen erzählt“, würde Gary ihn aufklären, „Nun, wie ist es? Spielen Sie ,Clementine’ für mich? Oder vielleicht ,Auf der anderen Seite des Flusses’? Das würde so gut passen.“
    „Ich kann es nicht tun, denn Sie sind ja tot! Hören Sie, Judson May hat bekanntgegeben, daß Sie alle dort tot sind.“
    „Der Teufel soll Judson May holen!“ würde Gary fluchen. „Werden Sie den Song bringen oder nicht?“
    „Sie wollen mich auf den Arm nehmen, ich spiele das Lied nicht. Ich spiele nicht für Tote!“
    Und er würde voller Ärger einhängen.
    Vielleicht auch voller Angst und Schrecken.
    Wenn die Polizei davon erfahren würde, erhielte der Ansager den Befehl, zu niemand darüber zu sprechen. Und wenn doch etwas herauskäme, würde man einfach behaupten, ein feindlicher Agent sei an der Leitung gewesen. Feindliche Agenten waren schon immer eine ausgezeichnete Ausrede. Man würde den Zwischenfall bedauern und versichern, er könne sich nicht mehr wiederholen. Westlich des Mississippi hatte alles sauber und steril zu bleiben. Und wenn man die eigenen Leute vor den Westufern erschoß.
     
    *       *
    *
     
    Er stand mit dem Rücken gegen die Scheune gelehnt und fror. Die Dämmerung kroch langsam die fernen Hügel hoch, und der Himmel färbte sich fahl. Es war sehr kalt und die schweren Wolken zogen tief über den frostigen Schnee dahin.
    Gary brannte sich die alte Pfeife an, die Hoffmann ihm geschenkt hatte. Es mußte selbst angebauter Tabak sein, denn er schmeckte nicht besonders gut. Immerhin besser als nichts.
    Vor ihm senkte sich das Gelände zum Bach hinunter. Deutlich erkannte Gary die Spur, die der Fremde in der Nacht gemacht hatte, als er den Hügel heraufgekrochen kam. Die Umwege zeichneten sich ab, zu denen ihn der Draht gezwungen hatte. Bis hin zur Scheune führte die Spur, wo sie plötzlich endete. Dann war da nur noch seine Spur, die hin zum Bach und zurück führte.
    Er schauderte zusammen vor Kälte.
    Aber nicht nur wegen der Kälte fror ihm.
    Eines Tages würde eine gewaltige Armee den Mississippi in ganzer Breite überschreiten und das Land überschwemmen. Kein lebendes Wesen würde von ihnen verschont werden, denn wer noch östlich des Flusses lebte, war ja ein Feind. Alle würden sterben müssen – Hoffmann, seine Frau, der Junge, Sandy. Wenn die Truppen kämen, würden sie ihnen entgegeneilen, voller Freude und Glück. Und dann würden Schüsse aufpeitschen und alle ihre Hoffnungen zerstören.
    Olivers Idee von der Hilfe, die man ihnen eines Tages zuteil werden ließe, war nichts als ein Traum gewesen. Wie hatte er noch gesagt?
    „Es hängt alles nur davon ab, wie schnell die Medizin drüben voranschreitet, und wie lange es dauert, bis man ein Gegenmittel gefunden hat. Dann werden die Brücken geöffnet.“
    So oder ähnlich hatte er prophezeit. Auch an Patrouillen hatte er geglaubt, die Proben aus dem verseuchten Land holen würden, um das Gegenmittel schneller zu finden.
    Wie brutal würden sie alle aus einem Traum erwachen, wenn der Tag der erhofften Befreiung anbrach! Besonders die Hoffmanns, die sich an ihren Besitz klammerten und ihn bis heute erfolgreich verteidigt hatten. Nein, Gary wollte nicht dabei sein, wenn es geschah. Und es würde geschehen, das wußte er jetzt. Nein, nicht noch einmal wollte er das Entsetzen in Sandys Gesicht erblicken!
    Tausend Meilen wollte er entfernt sein, wenn der Tag kam. Dabei würde Sandy erst in sieben Jahren neunzehn alt sein …
    Erst jetzt bemerkte er, daß es schon schneite. Er trat ein wenig zur Seite und blickte hinüber zum Wohnhaus. Leichter Rauch kräuselte sich vorsichtig aus dem Kamin. Frau Hoffmann bereitete das Frühstück, ehe sie das Feuer löschte. Das war eine

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