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TS 04: Das endlose Schweigen

TS 04: Das endlose Schweigen

Titel: TS 04: Das endlose Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilson Tucker
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vergessen.“
    Sie gab keine Antwort, sondern nahm ihm die Taschenlampe aus der Hand. Sie leuchtete ihn an und betrachtete ihn schweigend. Dann löschte sie das Licht und sagte:
    „Du könntest dich mal wieder rasieren, Russell.“
    Er grinste.
    „Es muß auch so gehen. Verschwinden wir jetzt.“
    „Wohin?“
    Er zögerte. Ja, wohin sollten sie gehen? Da standen sie, die beiden letzten Menschen einer großen Stadt, die das Opfer der Bomben eines unbekannten Feindes geworden war. Man hätte sich einige Decken holen können, ein Platz zum Schlafen wäre dann leicht gefunden. Doch ihm kam ein anderer Gedanke.
    „Kennst du die Stadt gut?“
    „Ich habe immer hier gewohnt, mein ganzes Leben lang.“
    „Dann zeig mir ein Hotel, möglichst ein großes Hotel.“
    Sie zögerte einen Augenblick, und er vermochte ihre Gedanken zu erraten. Dann aber nickte sie im Dunkel der Nacht.
    „Gut. Ich weiß eins, nicht weit von hier entfernt.“
     
    *       *
    *
     
    Die Empfangshalle war leer. Irgendwo lag der Portier tot zwischen den Sesseln.
    „Dieses Bombardement, wann fand es eigentlich statt?“
    „Am frühen Abend. Das Radio meldete etwas von abgeschossenen Flugzeugen und Abwehrraketen, aber es war alles recht unklar.“
    Er hatte einige Schlüssel von den Haken genommen.
    „Wie kam es, daß du gerettet wurdest?“
    „Ich war mit den Pfadfindern unterwegs und hörte von dem Bombardement. Als ich zurückkehrte, fand ich – meine Eltern …“
    „Alle tot“, nickte Gary und schritt auf die Treppe zu.
    „Meine Mutter war ganz verfärbt, blaurot. Es war gräßlich!“
    „Und das geschah am Mittwoch? Was ist heute für ein Tag?“
    „Freitag.“
    Er schüttelte den Kopf und begann, die Treppe hinaufzusteigen. Im zweiten Stock hielt er an und lauschte. Es war nichts zu hören, und die Gewißheit, allein zu sein, beruhigte ihn plötzlich. Im dritten oder vierten Stock würden sie sicher sein, weit genug entfernt von der Straße. Vielleicht gab es doch noch jemand in der Stadt.
    „Was hast du eigentlich von Mittwoch bis heute gemacht?“ fragte er und zog sie hinter sich her.
    „Ich weiß es selbst nicht mehr“, antwortete sie und begann zu schluchzen. „Als ich nach Hause kam und sah meine Mutter – oh, es war grauenhaft. Ich konnte zuerst nichts essen, denn mir wurde dabei übel. Schon der Gedanke an Essen war furchtbar. Aber dann mußte ich es tun; aber ich wagte mich nur an Konserven. Wasser war nicht da, auch kein Strom.“
    „Die Werke müssen ausgefallen sein“, knurrte Gary. „Wie war es mit dem Gas?“
    „Das funktionierte zuerst noch, dann wurde die Flamme kleiner.“
    „Der Druck ließ also nach. In zwei oder drei Tagen ist es auch damit vorbei.“
    „Und was werden wir dann tun?“
    „Bis dahin sind wir nicht mehr hier. Wir werden die Stadt verlassen.“
    „Wohin sollen wir denn gehen?“
    Er gab keine Antwort, denn sie hatten den vierten Stock erreicht. Sorgfältig untersuchte er die mitgenommenen Schlüssel und probierte so lange an der ersten Tür herum, bis sie aufsprang. Es war ein Einzelzimmer. Ebenso die nächsten beiden. Das vierte erwies sich als ein Schlafzimmer mit zwei breiten Betten. Er schloß die Verbindungstür auf, die zu einem gleichen Zimmer führte. Die beiden Ausgänge zum Gang hin sperrte er ab.
    „Hier werden wir über Nacht bleiben“, sagte er.
    Sie schien ihn zu beobachten, gab aber keine Antwort.
    Mit dem Daumen zeigte er vage von einem Zimmer zum andern.
    „Welches Zimmer möchtest du für dich nehmen?“
    Irma schüttelte den Kopf und schwieg noch immer.
    „Nun los, keine falsche Scham!“ sagte er ungehalten. „Such dir dein Zimmer aus. Ich stehle deine Juwelen schon nicht.“ Er nahm ihr das Paket ab und legte es auf den Tisch. „Wo also?“
    „Ich habe Angst!“
    „Aber Kind, wovor denn?“
    „Ich will nicht allein in einem Zimmer schlafen.“
    „Zum Teufel! Ich habe die Türen abgeschlossen.“
    „Ich schlafe nicht allein. Es ist alles so grauenhaft – tot!“
    Russell Gary betrachtete nachdenklich ihr noch jugendliches und fast kindliches Gesicht. Was sollte er nur mit ihr anfangen? Am liebsten hätte er sie jetzt einfach stehen gelassen und wäre davongegangen. Aber er durfte sie nicht allein lassen, ein schutzloses Kind, mehr nicht. In plötzlicher Entschlossenheit schaltete er die Taschenlampe aus, und es wurde sofort stockfinster.
    „Wie du willst“, sagte er. „Ich nehme das Bett am Fenster.“
    Er setzte sich nieder und begann sich

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