TS 06: Das andere Universum
Explosivkörper kamen niemals an. Sie mußten unterwegs irgendwo in der Krümmung detoniert sein.
Im Laufe dreijähriger Experimente fand man heraus, daß die Versuchsobjekte durch ihre plötzliche Materialisation in der Luft zerstört wurden. Luft ist ein ziemlich materieller Stoff. Man mußte also eine andere Lösung finden, und diese bot der offene Raum – der Weltenraum. Und da die Entfernung sich mit der dritten Potenz der Umdrehungszahl vergrößerte, würde man keine besonders große Maschine benötigen, um den Mond oder die Planeten zu erreichen. Selbst interstellare Raumfahrt würde kein Ungeheuer von Anlage erforderlich machen, besonders, weil sie in mehreren Sprüngen ausgeführt werden konnte. Der Pilot brauchte lediglich einen Knopf zu drücken; im übrigen stellte die Zeit einen Nullfaktor dar.
Man benötigte einige Jahre, um Pläne für eine Landung auf dem Mond auszuarbeiten. Die Aerodynamik war noch kaum entwickelt, obgleich zwei Brüder Wright einige Jahre zuvor mit Erfolg einen Apparat, der schwerer als Luft war, in Kittyhawk, N. C, geflogen hatten – im gleichen Jahr, in dem Professor Yarley seine erste Nähmaschine verlor.
1910 landete der erste Mensch auf dem Mond und kehrte zurück. Im nächsten Jahr wurden alle bewohnbaren Planeten erreicht.
Das nächste Kapitel war Der interplanetare Krieg betitelt, aber Keith fielen die Augen zu, ehe er noch angefangen hatte, es zu lesen. Er drehte das Licht aus und schlief schon, ehe sein Kopf auf das Kissen zurücksank.
Es war fast Mittag, als er erwachte. Einen Augenblick lag er mit geschlossenen Augen da und dachte an den verrückten Traum, den er gehabt hatte – Raumfahrt durch eine Nähmaschine, Krieg mit Arkturus und Vernebelung über New York. Er setzte sich auf und blickte auf die Armbanduhr. Viertel vor zwölf! Er müßte schon längst im Büro sein.
Wirklich?
Wie kam er eigentlich in das fremde Bett? Er war völlig durcheinander. Er kletterte aus dem Bett, als ihm etwas auf dem Fußboden ins Auge fiel. Es war ein Exemplar der Taschenausgabe von H. G. Wells’ Grundriß der Weltgeschichte.
Mit zitternden Händen hob er es auf und schlug das Inhaltsverzeichnis auf. Die letzten drei Kapitel lauteten: In den Weltenraum, Der interplanetare Krieg und Kampf gegen Arkturus.
Das Buch entfiel ihm. Er bückte sich, um es aufzuheben und sah ein anderes, das unter dem Bett lag. Auf dem Umschlag prangten die Worte Hat die Vernebelung Zweck?
Er ließ sich auf den Stuhl sinken und tat für einige Minuten nichts weiter, als daß er versuchte, sich zu konzentrieren und seinen Verstand an die Tatsache zu gewöhnen, daß er keinen Alptraum, sondern eine Realität durchlebt hatte.
Oder ein logisches Faksimile der Realität.
Er seufzte, griff in die Hüfttasche seiner Hose, die über dem Stuhl hing, und stellte fest, daß die Banknoten in seiner Brieftasche Kredite und keine Dollars waren. Etwas mehr als tausend Kredite.
Langsam und gedankenvoll zog er sich an und machte sich zum Gehen fertig. Das Packen bestand darin, daß er zwei der Taschenbücher und die beiden Magazine in verschiedene Taschen steckte. Das Exemplar von Hat die Vernebelung Zweck? nahm er nicht mit, ebenso wie die gestrige New York Times.
Er ging die Treppe hinunter und durch den Vorraum. Ein anderer Angestellter war da, der ihn nicht beachtete. Vor der Tür hielt er einen Moment inne, denn die Scheibe war unversehrt; dann bemerkte er den frischen Kitt am Glasrand.
Jetzt kam ihm zum Bewußtsein, daß er hungrig war. Seit gestern mittag hatte er nichts mehr zu sich genommen, und sein Magen knurrte.
Er schlenderte die Straße entlang, bis er ein einladendes kleinen Restaurant gegenüber der Lesehalle fand.
Keith wählte einen Tisch an der Wand und studierte die Speisekarte.
Nur drei der Gerichte waren ihm unbekannt; sie waren teuer und standen am Ende der Liste aufgeführt – marsisches Zot à la Marseille, gerösteter Krail mit Kapisoße und Gallina de luna.
Das letzte war spanisch und bedeutete Mondhühnchen, wenn Keith sich recht erinnerte. Er war jetzt zu hungrig, um einen Versuch zu wagen, und bestellte sich ein Gulasch.
Das hatte den Vorteil, daß es keine Konzentration erforderte. Während Keith aß, überflog er die beiden letzten Kapitel des Grundrisses der Weltgeschichte. H. G. Wells war verbittert über den interplanetaren Krieg. Er betrachtete ihn als Eroberungsfeldzug, wobei die Erde der Agressor war.
Die Einwohner von Mond und Venus hatten sich als freundlich und
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