TS 06: Das andere Universum
tapfersten, romantischsten – Junge, Junge!“
„Oh“, machte Keith ein wenig dumm.
Er kippte den Rest seines Cocktails hinunter, erstickte fast daran und winkte der Kellnerin. Als sie herüberkam, fragte er Marion: „Noch einen?“
„Tut mir leid, aber ich habe keine Zeit.“ Sie blickte auf die Uhr. „Nein, wirklich nicht. Außerdem ist mein Glas ja noch halbvoll. Aber lassen Sie sich durch mich nicht abhalten, noch etwas zu trinken.“
Keith sah zu der Bedienung hoch. „Einen Manhattan, bitte.“
„Tut mir leid, aber davon habe ich noch nie gehört. Ist das etwas Neues?“
„Martini?“
„Oh, sicher. Den rosafarbenen oder blauen?“
Keith unterdrückte ein Schaudern. „Und wie ist es mit Whisky?“
„Können Sie haben. Wünschen Sie eine bestimmte Marke?“
Keith schüttelte den Kopf; er wollte sein Glück nicht noch weiter auf die Probe stellen. Er hoffte, daß der Whisky weder blau noch rosa sein würde.
Er warf einen Blick auf Marion und fragte sich, wie er von ihr erfahren könnte, wer Betty Hadleys Verlobter war. Offensichtlich sollte es ihm bekannt sein, und vielleicht wußte er es wirklich. Zumindest war ein schrecklicher Verdacht in ihm aufgekeimt.
Marion bestätigte ihn ohne sein Dazutun. Ein träumerischer Ausdruck stahl sich in ihre Augen.
„Himmel“, murmelte sie. „Dopelle!“ Es klang andächtig, fast wie ein Gebet.
8. Kapitel
,Jetzt’, dachte Keith, ,wußte er also das Schlimmste. Zumindest war sie aber nur verlobt, nicht verheiratet. Vielleicht bot sich ihm noch eine kleine Chance.
Marion seufzte. „Dennoch, finde ich, ist es dumm von ihr, daß sie warten will, bis der Krieg vorbei ist. Wer weiß, wie lange er noch dauern wird. Und warum behält sie ihren Beruf, wo Dopelle soviel Geld hat, wie er will? Und – allerdings, ich schätze, sie würde überschnappen, wenn ihr Beruf sie nicht ablenkte. Mein Gott, ich würde aber auch wahnsinnig werden, wenn ich auf Dopelle wartete, selbst wenn ich einen Beruf hätte.“
„Sie haben doch einen.“
„Aber ich habe Dopelle nicht.“ Marion nippte an ihrem Glas und seufzte so herzzerbrechend, daß Keith fürchtete, sie würde die Aufmerksamkeit der anderen Gäste auf ihren Tisch lenken.
Keiths Whisky kam, und er war bernsteinfarben, nicht blau oder rosa, wie er befürchtet hatte. Außerdem überzeugte ihn ein Schluck, daß er nicht nur nach Whisky schmeckte, sondern auch Whisky war. Er kippte ihn auf einen Zug hinunter, als Marion gerade ihren Cocktail austrank. Danach fühlte er sich ein wenig besser.
Marion stand auf. „Ich muß gehen“, sagte sie. „Vielen Dank für die Einladung, Mr. Winston. Kommen Sie morgen vorbei?“
„Morgen oder übermorgen“, erwiderte Keith. Er brachte sie zur U-Bahn und ging dann in die Lesehalle hinüber.
Er wäre viel lieber in die Bar oder in irgendeine andere gegangen und hätte sich sinnlos betrunken. Aber sein gesunder Menschenverstand sagte ihm, daß das fatal werden könnte. Er war schon in nüchternem Zustand in genug Unannehmlichkeiten geraten.
Er hatte zwei harte Schläge einstecken müssen. Sein Beruf war vergeben; der Keith Winton, der bei Borden angestellt war, ähnelte ihm nicht im geringsten. Er war etwa gleichaltrig; das war alles. Und Betty Hadley war nicht nur verlobt, sondern zugleich die Braut eines Mannes, der – es war einfach unglaublich.
Er setzte sich in der Halle an einen Tisch und zog die drei Magazine aus der Tasche, die er noch nicht gelesen hatte – Surprising Stories, Perfect Love Stories und Paul Gallicos Das Leben Dopelles. Er nahm sich zunächst Surprising Stories vor und stellte an Hand des Inhaltsverzeichnisses fest, daß die Autoren die gleichen waren, die er von seiner Juliausgabe her im Gedächtnis hatte. Einige der Geschichten waren ebenfalls dieselben, andere waren ausgewechselt worden.
Keith begann mit der kürzesten Kurzgeschichte und las sie sorgfältig und kritisch. Die Ideen waren die gleichen, die er kannte; der Unterschied lag in der Umgebung, in der die Geschichte spielte. Ein Gedanke begann ihm zu dämmern.
Er dachte einige Minuten nach, und das Bild vervollständigte sich. Er las die anderen Geschichten nicht, sondern überflog sie, wobei er sich nicht auf die Handlung, sondern auf den Hintergrund und die Beschreibung konzentrierte.
Seine Idee traf zu. Der Unterschied zwischen diesen und den Erzählungen seines Magazins lag darin, daß bei allen Stories hier Umgebung und Nebenumstände übereinstimmten. Jeder
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