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TS 10: Das vertauschte Ich

TS 10: Das vertauschte Ich

Titel: TS 10: Das vertauschte Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerry Sohl
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Dinge über Mr. Hardesty erfahren, an die Sie sich noch erinnern.«
    »Aber warum? Warum kommen Sie da ausgerechnet zu mir?«
    Carl hatte sich auf diese Frage vorbereitet. »Hardesty war, wie Sie wissen, der Leiter der Produktionsabteilung der Prismoidwerke. Er arbeitete mit meinem Vater eng zusammen, viele Jahre lang. Ich schreibe seine Lebensgeschichte. Ich möchte gerne herausfinden, wie er sich privat gab und sammele dafür die Eindrücke aller wichtigen Leute, mit denen er zusammengekommen war. Zum Beispiel frage ich mich, ob er seinem Schicksal gefaßt ins Auge gesehen hatte oder ob er damit haderte. Hardesty wußte ja, daß er bald sterben würde, nicht wahr? Oder hat er sich selber zu Tode gearbeitet? Schließlich hätte er sich doch leicht zurückziehen können, als er erfuhr, wie es um sein Herz stand. Überhaupt interessiert mich ganz allgemein, was er so in den letzten Jahren gedacht hat. Sie als sein Arzt müßten doch hierüber besonders gut Bescheid wissen.«
    »Nun, ja«, sagte der Arzt zögernd, »die allgemeine Lebenserwartung ist während der letzten Jahrzehnte ja ungeheuer angestiegen. Aber Hardesty wurde davon nicht betroffen. Ihm hätte eigentlich nichts helfen können, außer einem neuen Herzen. Er hatte eine Entzündung des Herzmuskels, eine Krankheit, die sich von Tag zu Tag verschlimmerte. Ich konnte ihm zwar etwas Linderung bringen, aber völlig kurieren – das war leider ausgeschlossen. Andererseits – nun, er war eigentlich ein seltsamer Patient.«
    »Wie soll ich das verstehen?«
    »Nun, das ist wohl keine Verletzung des Berufsgeheimnisses, wenn ich Ihnen sage, daß ich manchmal den Eindruck hatte, daß Hardesty mit Ungeduld seinen Tod zu erwarten schien.«
    »Das ist ja wirklich erstaunlich.«
    »Ja. Gewöhnlich muß ich eine traurige Nachricht wie diese einem Patienten langsam und schonend beibringen und ihn dann allmählich überreden, daß er von nun an sein Leben etwas anders einrichten muß. Und gewöhnlich ist diese Erkenntnis für einige Zeit von einer gewissen Depression begleitet, bis der Patient sich eben mit seinem neuen Leben abgefunden hat. Aber bei Mr. Hardesty war das nicht der Fall. Als ich ihm eröffnete, daß er sehr krank sei, schien ihn das nicht im geringsten zu erschüttern. Er fand sich eigentlich sofort damit ab. Ich wurde durch seinen Tod im Grunde überrascht. Da er es so ruhig aufnahm und sich auch seelisch mit seinem Schicksal abzufinden schien, hätte ich ihm eigentlich noch ein paar Jahre gegeben.«
    »Wir waren alle überrascht«, sagte Carl.
    »Übrigens, jetzt entsinne ich mich. Er hatte mir ein ungewöhnliches Ansinnen gestellt.«
    »Und was war das?«
    »Ich sollte ihm das genaue Datum seines Todes voraussagen. Er betrachtete die ganze Angelegenheit wohl mehr als eine Art Spiel oder so etwas.«
    »Und was antworteten Sie?«
    »Ich sagte ihm die volle Wahrheit. Ich sagte ihm, daß er damit jeden Tag rechnen könnte.«

 
6. Kapitel
     
    »Wundervoll«, sagte Marilla und ließ sich den Fahrtwind durch das Haar wehen. »Laß bitte die Lüftungsklappen auf.«
    Carl ließ den Wagen noch etwas steigen und erhöhte die Geschwindigkeit. Sie befanden sich über Inglewood und wollten nach Süden.
    »Es war ein durch und durch langweiliger Tag«, berichtete Marilla etwas verärgert. »Fast den ganzen Vormittag mußte ich warten, bis dein Vater endlich das Haus verließ. Ich wurde allmählich müde, immer unentwegt das Haus anstarren zu müssen. Andererseits hatte ich natürlich Angst, daß ich ihn verpassen würde.«
    »Wie war denn der Platz auf der Klippe?«
    »Großartig. Ich konnte von da aus das Haus, den Garten und sogar die ganze Nachbarschaft sehen. Ich glaube, an einem klaren Tag reicht der Blick bis ans Meer. Dein Fernglas war übrigens eine große Hilfe.«
    »Und wann kam er heraus?«
    Marilla blätterte in ihrem Notizbuch. »Laß mich mal sehen. Es war genau Viertel vor zwölf. Du hattest recht gehabt, als du sagtest, daß er so zwischen zehn und zwölf auftauchen würde.«
    »Und wohin ging er?«
    »Er stieg in seinen Wagen und flog zur Stadt. Ich natürlich hinter ihm her. Er ist ein guter Fahrer und auch kein langsamer. Ich hatte, ehrlich gesagt, Mühe, ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Er landete auf dem Dach der Föderationsbank. Gerade als er seinen Wagen verließ, kam ich an und folgte ihm die Treppe hinunter. Er ging in eines der Konferenzzimmer. Ein paar Leute saßen herum und schienen auf ihn zu warten. Irgendwelche Bankleute, so

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