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TS 16: Einer von Dreihundert

TS 16: Einer von Dreihundert

Titel: TS 16: Einer von Dreihundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. McIntosh
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sondern der Wind fegte ihn vor sich her. Wenn man an irdische Verhältnisse gewöhnt war, hatte man das Gefühl, daß es von unten nach oben regnete. Regenmäntel wären völlig sinnlos gewesen. Es regnete in den Kragen hinein und die Beine herauf, und in Sekunden war man so naß, als wäre man in einen See gefallen.
    Leslie arbeitete unbekümmert weiter. Ich wollte gerade etwas darüber sagen, als der Regen ebenso unvermittelt aufhörte, wie er angefangen hatte. Er hatte nur etwa drei Minuten gedauert.
    Nach etwa sechzig Sekunden hatte der Wind, der nun plötzlich aus einer anderen Richtung kam, Leslies Beine bereits wieder getrocknet. Ein paar Minuten später waren ihre Kleider nur noch schwach feucht.
    „Tragt ihr deshalb diesen Anzug?“ fragte ich. „Weil er locker sitzt und schnell trocknet?“
    „Oh, nein“, sagte sie. „In einer Minute wirst du den Grund wissen.“ Sie sah mein Hemd und meine Hose an und lächelte ein wenig.
    Es dauerte eine halbe Stunde, bis der Wind richtig begann. Ich taumelte, als der erste Stoß mich traf. Leslie, die schon wußte, wie man sich dagegenstemmte, schien er nicht weiter zu stören.
    Wir kämpften uns bis zu einem Steinhaufen durch, hinter dem sich schon andere zusammengedrängt hatten. Auf dem ganzen Weg dorthin flatterten meine Hosenbeine wie zwei Decken im Sturm. Zweimal riß mir der Wind, in kurzen, scharfen Stößen zentimeterweise das Hemd aus dem Hosenbund. Um es festzuhalten, mußte ich meinen Gürtel so eng schnallen, daß er mich fast zerschnitt.
    „Verstehst du nun, warum wir den einteiligen Anzug tragen?“ fragte Leslie atemlos, als wir uns im Schutze zweier rechtwinklig zusammenlaufender mannshoher Mauern zu den anderen Mitgliedern der Gruppe 94 gesellten.
    Jetzt war es mir vollkommen klar. Das einzig mögliche Kleidungsstück in einem solchen Wirbelwind war etwas Einfaches, Kräftiges, nach dem Körper Geformtes, worin sich der Wind nicht verfangen konnte, um es auf- und wegzureißen.
    „Wo ist Betty?“ fragte Leslie plötzlich scharf. „Paß auf, Bill, fang sie!“
    Als ich mich umdrehte, war Betty noch zwanzig Meter von mir entfernt. Eine Sekunde später waren es weniger als zehn. Irgendwie hielt sie sich aufrecht; es sah aus, als ob sie rannte, aber in Wirklichkeit jagte der Wind sie vor sich her wie einen Strohhalm.
    Ich sprang hinzu und fing sie auf, und der Zusammenprall betäubte uns beinahe. Die Schwerkraft schien kaum noch zu existieren, aber die Trägheit war unverändert. Wäre Betty mit dieser Geschwindigkeit gegen eine .Wand gerannt, so hätte sie tot sein können.
    „Danke, Bill“, keuchte sie.
    Wir hatten ein typisches Beispiel für das Wetter auf dem Mars erlebt. Der Grund für seine außerordentliche Wechselhaftigkeit lag in der Umdrehung des Planeten und dem Fehlen großer offener Wasserflächen, die sich einigermaßen langsam erwärmten und abkühlten. Die rote Wüste und die Luft über ihr wurden am Tage auf über 30° G erhitzt, und in der Nacht auf etwa 20° Kälte abgekühlt. Die Tage würden auf dem Mars immer heiß und die Nächte immer eiskalt sein, und immer würden sausende, wirbelnde Winde aus der Übergangszone wehen. Das war ein Dauerzustand.
    Doch sagte man uns, daß in etwa zwanzig Jahren der augenblickliche klimatische Aufruhr vorüber sein und für den Mars eine ruhigere Zeit anbrechen würde.
    Darüber konnten sich einst unsere Kinder freuen.
    In den wenigen Gebieten, wo es guten Boden gab, wuchs die Ernte schnell heran. Es gab genügend Wasser und reichlich Hitze. Wäre das alles gewesen, was man brauchte, dann hätte der Mars fast im Getreide ersticken können, trotz des Windes. Aber es gab nicht genug guten Boden. Die Hälfte der Menschen auf dem Mars mußten auf dem Lande arbeiten.
    Die andere Hälfte baute. Das war in der Hauptsache unsere Arbeit.
    Abgesehen von Morgan, hatten wir in Gruppe 94 keine Personalschwierigkeiten.
    Wie ich erwartet hatte, verlor sich Leslies Unzufriedenheit, als ihr die Verantwortung abgenommen wurde. „Jetzt kannst du dir die Sorgen machen, Bill“, sagte sie vergnügt, „und ich rede dir dann gut zu. Aber du machst dir ja keine Sorgen, nicht wahr?“
    „Nicht, wenn ich es vermeiden kann“, sagte ich. „Davon bekommt man nur Magengeschwüre.“
    Ja, Leslie war ein unkomplizierter, gerader, sonniger Charakter. Auf der Erde hatte sie sich nicht immer von der besten Seite gezeigt, aber da hatten wir uns noch nicht so gut gekannt. Als wir uns aneinander gewöhnt hatten, wurde ein

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