TS 46: Die Marskolonie
stand in ihren Augen.
„Es wäre mir lieber, Sie täten es nicht – denn ich liebe Sie. Und somit erschweren Sie mir meine Aufgabe.“
„Erschweren?“
„Sie waren auf dem Mars und wissen, wie es dort ist. Dort ist kein Platz für die wirkliche Liebe, die auch das Alter überdauert. Seien Sie keine Närrin, Pat. Es ist Ihr Leben, das Sie riskieren. Es gibt keine Rückkehr vom Mars.“
„Das spielt keine Rolle“, murmelte sie. „Es spielt wirklich keine Rolle.“
„Wollen Sie mich – oder den Mars?“ Er ließ die Hände sinken. Sie zitterten und verrieten so seine Erregung. „Ich kehre zum Mars zurück, weil ich hier sterbe. Vielleicht ertrage ich den Andruck schon nicht, und Anders ist nicht daran interessiert, eine Leiche zu befördern. Sie können selbst Ihre Entscheidung treffen, aber mich lassen Sie bitte aus Ihren Kalkulationen.“
Er wandte sich um und starrte hinauf in den Himmel, wo ein Stern einsam und rot brannte. Als er sich nach einer Weile umdrehte, war Pat verschwunden.
*
Das Metall sang.
„Du Narr!“ vibrierte es unaufhörlich. „Du blöder, unverbesserlicher Narr!“
Er stöhnte und griff sich an den schmerzenden Kopf. Jemand stand über ihm. Eine kühle Hand legte sich auf seine brennende Stirn. Die Hand einer Frau.
„Er kommt gerade zu sich, Doktor.“
Fußtritte. Dann eine andere Hand, nicht so sanft, nicht so kühl. „Wie fühlen Sie sich?“
Er versuchte zu sprechen, aber kein Laut drang über die Lippen. Dafür sang das Metall wieder, vibrierend und unaufhörlich:
„Narr, der du bist! Unverbesserlicher Narr …!“
Er richtete sich auf. Endlich kam ein Laut über seine Lippen:
„Nein!“ Nur das eine Wort, mehr nicht. Und dann noch einmal: „Nein, nein!“
Das Metall schien Antwort zu geben. Es vibrierte.
„Du Narr …“
Da schlug er so lange mit der Faust gegen die Wände, bis die Haut in Fetzen herabhing. Blut verschmierte das Bettzeug. Eine Nadel stach in seinen Arm. Die Müdigkeit kam sofort. Er sank zurück und schlief ein. Immer leiser wurde die höhnende Stimme des singenden Metalles: Narr – Narr – Narr …
Dann war er eingeschlafen und hörte nichts mehr.
Doc Landry seufzte und reichte der Schwester die Nadel.
„Ich verstehe das nicht. Ein Mann von seiner Konstitution sollte nicht an derartigen Anfällen leiden. Hat er das schon länger?“
„Sobald er aufwacht. Nun schon das dritte Mal.“
„Merkwürdig. Warum haben Sie mich nicht früher unterrichtet?“
„Ich hielt es nicht für so wichtig. Nur ein einfacher Fall von Fieber und Delirium. Sie wurden an anderer Stelle dringender benötigt.“
„Meinen Sie?“ Landry seufzte. „Sie halten wohl nicht viel von Ihrem Patienten, Schwester?“
„Er ist schwach – und für Schwache ist in der Kolonie kein Platz.“
„Trotzdem. Eine Frage: sind Sie verheiratet?“
„Ja.“
„Schwanger?“
„Ja.“
„Jetzt verstehe ich. Sie hielten meine Arbeit im Entbindungsheim deshalb für wichtiger, obwohl dieser Mann bald starb. Egoistische Denkungsart. Sie können Ihre Sachen packen, Schwester. Ich versetze Sie hiermit in das Entbindungsheim.“
Wenige Minuten schritt er durch die Straßen der Kolonie. Ein Sprengwagen kam vorbei. Das Wasser sickerte sofort in den ausgetrockneten Boden, aber da der Wagen ständig unterwegs war, erhob sich kaum noch Staub. Der Fahrer grüßte.
„Hallo, Doc.“
„Hallo! Was macht das Baby?“
„Geht ihm gut, Doc.“
Ein anderer Mann kam quer über die Straße auf ihn zu geschritten.
„Hallo, Doc. Wie geht es Devine?“
„Wer?“ Ah – der Patient hieß ja so. „Kann ich noch nicht so sagen, aber ich denke, er kommt durch.“
„Hoffentlich. Wir brauchen ihn. Der beste Botaniker, den es gibt. Er versucht, durch Kreuzungen und Mutationen die richtige Pflanze für die Marswüste zu entwickeln. Seine Arbeit ist so wichtig für uns. Ich muß es wissen, denn ich bin ebenfalls Botaniker. So long, Doc.“
Er winkte mit der Hand und ging davon.
Es wurde schnell dunkel. Landry erschauerte, denn mit der Dunkelheit kam die Nachtkälte. Männer eilten zur Schicht, andere kehrten zu ihren Familien heim. Einer von ihnen zögerte, als er ihn sah, und kehrte dann um.
„Doc Landry?“
„Ja.“
„Ich habe Sie gesucht, Sir. Die Schwester wußte nicht, wohin Sie gegangen waren. Der Kommandant möchte Sie sprechen. Sie sollen zum Abendessen zu ihm kommen.“
„Danke.“ Landry trat von der Hauswand weg auf die Mitte der Straße. „Danke, ich
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