TS 56: Sternenstaub
reine Augenweide war. Er hatte sich aber bisher gescheut, ihre Bekanntschaft zu machen. Die Zeit war nicht geeignet für Angelegenheiten des Herzens. Seltsame Dinge hatten ihn, Brent, zu dieser Fahrt veranlaßt.
Ein Planet namens Derik war entdeckt worden. Seine Städte waren angefüllt mit den Skeletten ihrer Bewohner, und seine Schätze waren geraubt worden. Auf einem weiteren Planeten fand man, daß alle seine Bürger in den geplünderten Häusern verwesten. Vier voneinander weit entfernte Planeten hatte man erforscht – sie waren alle tot und ausgeraubt.
Die unbekannten Angreifer hatten nur Dinge mitgenommen, die man in Raumschiffen unterbringen konnte. Brents Auftrag von der Gilde war, die Umstände herauszufinden und Klarheit zu schaffen. Unter diesen Umständen war jeder Kontakt mit Kit sinnlos. Aber sein Auftrag war durch den plötzlichen Aufenthalt der Delilah aufgehoben – er konnte nichts mehr tun. Das Schiff war vollbesetzt und würde in den nächsten Tagen eine Hölle sein. Brent wußte, daß es für ihn das Nützlichste sein würde, die Situationen – alle Situationen – zu klären.
Er konnte versuchen, irgendeinen Ausweg zu finden, um dem allgemeinen Chaos zu entgehen. Wenn das Schiff mit dem normalen Antrieb weiterflog, dann brauchte es Jahre bis zum nächsten Planeten. Es würden die Passagiere und die Mannschaft unterwegs sterben, und niemand würde je die Delilah wiedersehen. Es waren, trotz intensivster Suchaktionen, in zwei Jahrhunderten gerade zwei Schiffe wiedergefunden worden, die während einer Overdrivefahrt verschwanden. Die Chancen waren zu niedrig. Sie waren nach jahrzehntelangen Flügen zufällig in die Nachbarschaft bewohnter Planeten getrieben worden. Obwohl alles Leben in ihnen gestorben war, zeigten die Räume deutliche Spuren der furchtbaren Dinge, die sich in der Verzweiflung abgespielt hatten. Wahnsinn, unkontrollierbare Wut und Elend waren nur geringe Faktoren davon.
„Ich möchte wissen, ob Waffen an Bord sind“, dachte Jim. „Die Mannschaft könnte dann die Passagiere vernichten. Es wäre dann vielleicht das Beste für uns.“
Seine Gedanken waren schon wieder bei Kit. Sie reiste in Begleitung ihres Vaters, der als Handelskommissar der Erde ein wichtiger Mann war. Sie waren auf Khem IV gewesen und hatten dort Brent getroffen.
Er wurde ständig, wie auch der alte Harlow, von einer Meute ungeschickter Detektive beschattet und hatte nichts gefunden. Er suchte im Interesse der Gilde nach Dingen, die einmal gefährlich für die Kultur der Galaxis werden konnten. Khem war ein dünnbesiedelter Planet mit einer grausamen, absolutistischen Regierung. Reiner Zufall führte sie auf demselben Schiff zusammen.
Brent wünschte, er hätte die Delilah verpaßt. Der Lautsprecher in der Decke des Ganges wiederholte die Durchsage. Es war kindisch. Jeder der Passagiere, der auch nur eine Kleinigkeit über das Wesen des Overdrives wußte, würde nicht beruhigt, sondern noch mehr erschreckt werden. Jim öffnete die Tür des Aufenthaltsraumes. Er war voller Passagiere. Nie hatte er so viele von ihnen auf einmal gesehen. Einige Kinder spielten unter den Tischen, eine Frau mit einem geschminkten, leeren Gesicht sah ihn mit schreckgeweiteten Augen an. Ihr Blick verlor sich in dem Muster der Wandverkleidung. Kit kam aus dem Hintergrund des großen Raumes auf ihn zu. Ein plappernder Mann ergriff Brent am Arm.
„Sie sagen, das Schiff steht mit der Heimat in Funkverbindung. Glauben Sie daran?“
Brent nickte.
„Sicher. Sie haben eine Verbindung, die schneller ist als das Licht. Alle Schiffe müssen diese Anlage besitzen. Es wird alles wieder in Ordnung kommen.“
Erleichtert holte der Mann Luft.
„Sind Sie sicher?“
„Unbedingt.“
Er begann mit einem haltlosen Lachen und entfernte sich zufrieden. Brent kämpfte sich durch die Leute, beruhigte sie und beantwortete Fragen. Er scheute auch nicht vor dummen Lügen zurück, wenn sie dazu dienen konnten, die Menschen zu beruhigen. Eine Idee schlummerte in einem Winkel seines Hirnes, aber er konnte sie noch nicht fassen. Sie mußte erst durch verschiedene Beobachtungen verstärkt werden. Natürlich konnte Delilah niemals mit Khem in Verbindung treten. Der Strahl, auf dem eine Botschaft mit sehr viel Energie abgeschickt werden konnte, mußte genau den Planeten treffen und das war unmöglich, es konnte nicht berechnet werden, auch nicht von den elektronischen Geräten.
Wir sind theoretisch tot, dachte Brent, aber wir wissen es noch nicht.
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