TS 66: Sternenfieber
Wasserflasche und ein Sauerstoffbehälter waren heil geblieben und hatten den Sturz überstanden. Sein Plan, so mußte er erkennen, war nicht mehr durchführbar.
Ein wenig mutlos geworden kehrte er zu Rodan und Dutch zurück und untersuchte auch ihre Anzüge. Dutchs war ebenfalls unbrauchbar für eine längere Expedition, aber Rodans war so, wie die Hersteller ihn geliefert hatten.
Frank richtete sich auf und sah Helen an.
„Mein liebes Kind“, sagte er sanft aber eindringlich. „Er hat Sie ebenfalls recht kurz gehalten. Nun, wir können ja die Batterien auswechseln.“ Helen sah so aus, als wolle sie sich auf ihn stürzen, aber dann unterließ sie es doch. Ihr Gesicht war voller Bitterkeit und Enttäuschung. Frank kümmerte sich nicht darum. „Wir haben einen langen Marsch vor uns“, fuhr er fort. „Bis zu den Tovies, nehme ich an. Das sind anderthalbtausend Kilometer. Unsere Archers sind nicht mehr raumtüchtig, aber wir müssen es versuchen. Wenn wir hierbleiben, ersticken, verdursten oder verhungern wir. Jede Sekunde zählt. Wir werden also bald aufbrechen. Hat noch jemand einen Vorschlag zu machen, der unsere Chancen erhöht?“
Rodan und Dutch, die wieder bei voller Besinnung waren, schwiegen verbissen. Dann aber höhnte Dutch:
„Sie kommen sich wohl ungeheuer klug vor, Nelsen, was? Denken Sie, mein Lieber! Sie und Ihr sauberer Genosse werden vor die Hunde gehen, verlassen Sie sich darauf …“
Frank achtete nicht auf den Sprecher. Lester auch nicht. Er sagte:
„Gips in Mengen! Wasser und Sauerstoff im Gestein, und wir haben keine Energie, es frei zu machen! Wir sind verloren …“
Frank Nelsen löste die Fesseln von Rodans und Dutchs Füßen und ließ sie vorangehen. Von den Karten her kannte er seine Richtung – genau auf das Sternbild Kassiopeia zu, über das Mare Nova hinweg, dann durch eine Schlucht im Gebirge. Anderthalbtausend hoffnungslose Kilometer. Wieviel konnte der menschliche Körper aushalten? Wußte er das überhaupt? Wie schnell konnten sie marschieren? Wie lange würden die chemischen Batterien halten?
Sogar Rodan beeilte sich. Noch bevor die Sonne unter den Horizont sank, hatten sie fast zweihundert Kilometer zurückgelegt. Dann, als es finster war, leuchtete Helens Lampe und sie marschierten weiter, dem noch fernen Gebirge entgegen.
Frank schloß die Sauerstoffflasche für eine Weile an seinen Archer an, um die Batterie zu entlasten. Dann gab er sie Lester, der sie später weiterreichte. Aber das Unheil war nicht aufzuhalten. Nach weiteren zwanzig Stunden begann der Energiestrom aus den Batterien spärlicher zu fließen.
Lester hielt sich ständig neben Helen und begann, sinnlose Worte vor sich hinzumurmeln. Rodan marschierte gleichmäßig und aufrecht, aber mit seinen Gedanken war er ganz woanders. Auch er sprach mit sich selbst, bis Dutch als erster die Nerven verlor. Er schrie plötzlich auf und begann zu laufen. Prompt fiel er in eine breite Spalte, deren Grund selbst mit dem Licht der Lampe nicht erreicht werden konnte. Zum Glück für alle trug er gerade nicht die einzige Atombatterie, die von einem zum anderen wanderte, um die erlöschenden Energien wieder aufzufrischen.
Zu Franks Erstaunen blieb Lester kühl und beherrscht. Jetzt, in der Stunde der akuten Gefahr, hatte er sich selbst gefunden und bewies seine innerliche Stärke. Die Batterien wurden schwächer. Sie reichten nicht mehr aus, um die eindringende Kälte der Mondnacht abzuwehren.
Sie mußten eine Pause einlegen. Während sie ruhten, ging Frank von einem zum anderen und schloß für Minuten die Atombatterie an, um wenigstens die Luft in den Anzügen zu erneuern. Lester löste ihn dann ab.
Sie setzten ihren Marsch fort, fühlten sich aber des Sauerstoffmangels wegen sehr schwach. Immer mehr Pausen kamen: Sie wurden ständig länger und ausgedehnter. Insgesamt hatten sie kaum fünfhundert Kilometer zurückgelegt, ein knappes Drittel der Strecke. Das also ist das Ende, dachte Frank bitter. Und der Sarg ist ein Archer-Fünf.
Aber wenigstens Helen sollte jetzt nicht sterben – durch seine Schuld. Er raffte ‹ich noch einmal auf und schloß die rettende Atombatterie an ihren Archer. Sie würde den Weg schon schaffen – allein!
In seinen Ohren war das Rauschen des Radioempfängers. Er arbeitete noch, denn sein Energieverbrauch war gering. Sang da nicht jemand? Ein altes Lied …
„He!“ rief Frank mit letzter Kraft. „Hier unten …“
Dann war ihm, als sänke er auf den schweigenden Grund eines
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