TS 78: Operation Vergangenheit
Mitte genommen hatten, antwortete.
„Wo kommst du her?“ Wieder in der Sprache der Becherleute. Der Besitzer dieser Stimme sah anders aus, als der Mann, der ihm die Schlinge über den Kopf geworfen hatte.
„Ich kam vom Süden in dieses Land“, wich Ross aus. „Dort kamen auch meine Gefährten her. Wir Händler wandern in Frieden und tun niemand etwas zuleide.“
Der Mann mit dem glatten Gesicht setzte das Frage-und-Antwort-Spiel fort. Ross Murdock wußte einiges aus seiner angeblichen Vergangenheit zu berichten. Ja, er käme vom Süden. Sein Vater hieße Gurdi und besäße einen Handelsposten in den wärmeren Ländern am Ufer des großen Flusses. Rossa wäre hergekommen, um ein neues Absatzgebiet zu erschließen. Er wäre mit Assha, dem Blutsbruder seines Vaters, gekommen. Assha sei ein weitgereister Mann und Rossa wüßte die Ehre zu schätzen, seine Esel führen zu dürfen. Ja, und dann wäre noch ein Mann namens Macna mitgewesen, auch ein weitgereister Händler, wenn auch keine so starke Persönlichkeit wie Assha.
Wie lange er Assha schon gekannt habe?
Ross zuckte die Achseln und meinte dann, Assha wäre im vergangenen Winter zu seinem Vater gekommen und bis zum Frühjahr dort geblieben. Assha habe seinem Vater übrigens das Leben gerettet und ihn aus dem Fluß gezogen. Dabei hätte Assha wiederum sein Boot verloren und die darin befindlichen Handelsgüter.
Er trug die Geschichte mit großer Überzeugungskraft vor und glaubte schließlich selber daran.
Glücklicherweise schien es auch der Mann mit dem glatten Gesicht zu glauben, denn er sagte: „Es sieht so aus, als wärst du wirklich Rossa, der Händler.“ Er machte einem der Wächter ein Zeichen, woraufhin Ross Murdock einen Stoß in Richtung der Türöffnung bekam. Dann sprach er wieder in jenem unbekannten Dialekt.
In einem kleinen Raum mit hartem Estrich, der nicht einmal ein altes Wolfsfell aufwies, fand sich Ross wieder. Man hatte ihm die Fesseln abgenommen, aber er brauchte nicht durch die Fensteröffnung zu blicken, um zu wissen, daß ein Posten davor stand. Er lehnte sich an die Wand und massierte seine Handgelenke, um die Blutzirkulation anzuregen. Was war geschehen und wo befand er sich? Schon von seinem luftigen Ausguck aus hatte er festgestellt, daß dieses Dorf kein gewöhnlicher Handelsposten war. Was trieben die Leute hier? Die Hütten waren in weitem Umkreis verstreut. Irgendwo mußten sich Ashe und McNeil aufhalten, Assha und Macna.
Gegen Abend wurde die Türklappe aufgezogen – gerade weit genug, um eine Tonschale und einen Krug hindurchzulassen. Hirsebrei und Wasser. Doch Ross war so hungrig, daß er gern noch mehr gegessen hätte.
Er mußte schlafen; nach dem Erwachen würde sein Gedächtnis wieder klarer und die Kopfschmerzen verschwunden sein. Wie ein Hund legte er sich vor die Tür. Trat jemand ein, würde er ihn sofort bemerken.
Als er erwachte, war es noch immer dunkel. Er hatte geträumt, wußte aber nur, daß es ein krauses Zeug gewesen war. Er setzte sich aufrecht hin, bewegte die Arme, streckte das Kreuz. Er wurde das Gefühl nicht los, daß irgend etwas Schlimmes geschehen müsse.
Assha! Er mußte ihn finden, ihn und Macna. Zu dritt würden sie sich eine Fluchtmöglichkeit ausdenken. Sie mußten aus diesem Dorf herauskommen!
Man hatte ihn nicht gerade sanft behandelt, und Ross hatte auch nicht den Eindruck, daß er mit seiner baldigen Freilassung rechnen konnte. Aber das war noch nicht das Schlimmste; er mußte frei sein, bevor das wirklich Schlimme geschah. Die Frage war nur das Wie. Er hatte weder Pfeil noch Bogen und nicht einmal eine Nadel als Waffe, seitdem er die Spange Frigga geschenkt hatte.
Was blieb noch übrig? Höchstens der Bronzegürtel unter seinem Umhang. Den konnte man als Schlagwaffe benutzen. Das Meisterstück eines Schmiedes der Neuzeit. Ja, mit dem Gürtel konnte manschon etwas anfangen, zumal dann, wenn man ihn völlig überraschend in Aktion treten ließ.
Ross hatte warten gelernt, das Warten auf den richtigen Augenblick. Dieser Augenblick schien jetzt zu kommen, denn Ross hörte wuchtige Schritte.
Geräuschlos wie eine Katze flog Ross Murdock zur Wand, um sich dem Blick des Eintretenden zu entziehen.
Die Klappe wurde aufgestoßen; die Silhouette eines Mannes erschien im Türrahmen. Er blinzelte angestrengt ins Dunkel, konnte aber Ross nicht deutlich erkennen und trat näher. Das war sein Fehler. Ross, dessen Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sprang auf, stieß die
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