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TS 82: Geheimagentin der Erde

TS 82: Geheimagentin der Erde

Titel: TS 82: Geheimagentin der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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In ihm brach etwas zusammen.
     
    *
     
    Aber die Frage blieb und hämmerte in seinem Innern. Was sollte aus Carrig werden, wenn alle Formen und Zeremonien aufgegeben wurden? Die Königsjagd gehörte zu den Vorschriften, die die Götter für das Leben der Menschen gesetzt hatten. Wenn man sie nicht ausführte, beleidigte man die Götter. Jedes Kind wußte, daß die Menschen schon einmal aus einer besseren Welt vertrieben worden waren, weil sie das taten, was Belfeor jetzt tat. Die Rache der Götter brauchte nicht sofort1 zu kommen, aber kommen würde sie unvermeidlich. Und er hatte Belfeor noch unterstützt. Würde er verschont werden? Niemals!
    Bis zum Abend mußte er einen Entschluß fassen, was er tun wollte. Schon kamen Bauern aus der Umgebung zu den Frühlings-Festlichkeiten in die Stadt. Sie waren bis jetzt von Belfeors Neuerungen weniger als die Stadtbevölkerung betroffen, zumal die Ernährung der Stadt von ihnen abhing.
    Sie hatten zwar auch eine bestimmte Zahl von Arbeitern für Belfeors Gruben stellen müssen, aber darüber hinaus hatte man sie zunächst in Ruhe gelassen. Auch, als man von ihnen höhere Lieferungen und eine höhere Steuer verlangte, hatten sie noch nicht gemurrt. Die Gesetze kamen vom Bürgermeister von Carrig, und der Bürgermeister schützte sie gegen Banditen und schickte Soldaten zur Bekämpfung gefährlicher wilder Tiere. Sie zogen die Weisheit dieser Gesetze nicht in Zweifel.
    Aber Ambrus wußte: wenn sie hörten, daß Belfeor die Königsjagd verbot und die Parradile vertrieben hatte, das allerdings würde sie beeindrucken.
    An diesem Abend tat er etwas, was er seit langem nicht mehr gewagt hatte: er ging in die Stadt hinunter.
    Oh, ihr Götter, wie hatte Carrig sich verändert!
    Sie hatten ihn nicht vergessen, wie er im stillen gehofft hatte. Sogar die Kinder kannten ihn, liefen ihm auf der Straße nach, riefen seinen Namen und warfen mit Schmutz nach ihm. Er war noch keine Meile weit gekommen, als er einsah, daß sein Vorhaben von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Wenn er weiterging, würde man ihn vielleicht sogar in einer dunklen Ecke erschlagen. Er mußte kehrtmachen und vor einer Horde von Kindern fliehen, die nun auch schon zu Steinen griffen. Ein Klumpen Dreck flog ihm ins Gesicht, er stolperte und rannte einen Mann an, der vor einer Taverne stand.
    „Ho, langsam!“ rief der Fremde und fing ihn auf. Dann brüllte er die Kinder an, sie sollten sich nach Hause scheren.
    „Aber das ist Ambrus, der Verräter!“ riefen sie. Der Fremde nahm den vorlautesten Bengel beim Ohr:
    „Hast du nie das Sprichwort gehört: Wer andere beschimpft, wird noch mehr beschimpft werden? Und jetzt verschwinde, bevor ich dir ein paar mit der flachen Klinge überziehe.“
    Ambrus wischte sich den Schmutz aus dem Gesicht. Sein Retter war ein kräftiger Mann mit grauem Haar und einem ernsten, tief gekerbtem Gesicht. Die Kinder waren zwar zu zwanzig gegen ihn, aber sie nahmen eiligst Reißaus. Von der Straßenecke spähten sie zurück, doch der Fremde sah sie nur an, und sie verschwanden.
    „Ich bin Ihnen sehr dankbar“, sagte Ambrus kleinlaut. „Wahrscheinlich haben ihre Eltern ihnen eingeredet, mich Verräter zu nennen.“
    „Sie sind also Ambrus?“ fragte der Grauhaarige. „Ich habe von Ihnen gehört. Aber Verräter ist ein hartes Wort, und ich bin neu hier. Bin in einer Frühlingskarawane gekommen. Wenn einer Verrat sagt, möchte ich erst mal mehr darüber wissen, ehe ich mit Steinen werfe. Was haben denn die Leute gegen Sie?“
    Ambrus erzählte es ihm. Er wunderte sich selbst, warum er sich vor diesem Mann so klein fühlte.
    „Keine Königsjagd?“ sagte der Mann tief erstaunt. Dabei kam es Ambrus so vor, als ob der seltsame Mann darüber sogar noch erfreut war. „Kommen Sie mit mir.“
    Er trat zurück in die Taverne. Ambrus protestierte, denn da drin mußte er mit weiteren Angriffen rechnen.
    „Nein, hier sind Sie sicher“, beruhigte ihn der Grauhaarige. „Das sind fast alles Leute aus meiner Karawane und meine Freunde. Die werden Sie schützen. Kommen Sie unbesorgt.“
    Und er zog Ambrus mit sich.
    Tatsächlich! Bei seinem Eintritt sprangen ein paar Gäste auf und schrien wilde Drohungen, aber auf einen Wink des Grauhaarigen tauchten sofort einige andere auf, die jeden Angreifer zurückdrängten. Ambrus fragte sich, wer der Grauhaarige wohl sein mochte.
    „Auf den Tisch hier!“ befahl der Mann. „Und dann erzählen Sie der ganzen Versammlung, was Sie mir eben berichtet

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