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TS 86: Geist ohne Fesseln

TS 86: Geist ohne Fesseln

Titel: TS 86: Geist ohne Fesseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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etwas geschah irgendwo, was er nicht sehen konnte. Es hinderte ihn jedoch am Einschlafen. Cera war Seher. Das bedeutete, daß er drei Tage weit in die Zukunft sehen und ebensoweit in die Vergangenheit zurücksehen konnte. Alles, was innerhalb dieser Frist geschehen war oder noch geschehen würde, war seinen Gedanken zugänglich.
    Cera wußte, daß in einer Stunde etwas geschehen würde. Aber er fand es nicht als Bedrohung der Siedlung oder dem Plan gegenüber, sondern spürte, daß irgendwo in der Weite des Alls menschliche Wesen in höchstem Maße gefährdet waren – oder in einer Stunde sein würden.
    Die deduktive Methode …
    Gefährdung! Eine Stunde? Wie ließen sich diese beiden Begriffe zusammenfassen? Menschen im All. Raumschiffe? Das mußte es sein!
    In einer Stunde war ein Raumschiff in Gefahr. Das war nichts Besonderes in diesem Krieg. Also mußte es – ja! Es war ein bekanntes Raumschiff. Es mußte die Hunting Bow sein.
    Es war das einzige Schiff, das Huitzinga genauer kannte. Außerdem war der Kapitän ein vorbildlicher Mann – Cera wußte es von der langen Fahrt her. Er war einige Male in der Steuerkanzel gewesen und hatte sich mit dem alten Schiffsführer und den Offizieren unterhalten und Fragen gestellt.
    Die Gedanken hatten jetzt ein Ziel.
    Noch vierzig Minuten.
    „Arno?“
    „Hier!“
    „Bist du ganz wach?“
    „Ja – was gibt’s?“
    „Willst du mir helfen?“
    „Natürlich. Was willst du wissen?“
    Absolut lautlose Unterhaltung in der Stille der Nacht zwischen zwei Sehergehirnen, hindurch über trennende Zimmerwände und Korridore. Unbeachtet und ungestört von anderen Gedankenströmen, schweigend und mit der blitzschnellen Aktion des menschlichen Gedankens …
    „Ich sehe, daß die Hunting Bow in etwa dreißig Minuten gefährdet sein wird. Ich weiß nur nicht, welcher Art die Gefahr ist. Vermutlich befindet sich das Schiff in einem Bezirk des Alls, der nicht allzu weit entfernt ist. Ich schätze sechzig bis siebzig Lichtjahre. Hilf mir suchen!“
    Arno schwieg einen Moment lang, dann kam sein Gedankenstrom zu Cera Huitzinga:
    „Gut – ich suche auch.“
    „Ich tue es bereits. Korrespondieren wir?“ fragte Cera zurück.
    Arno verneinte.
    „Jeder allein, für sich.“
    Die forschenden Gedanken glitten von Lucky Hill fort, weit hinaus in den Raum zwischen Quaysa Center. Wie suchende Scheinwerferstrahlen durcheilten die Gedanken der beiden Seher die Entfernungen, nur schneller und weitgreifender als das Licht.
    Huitzinga breitete seinen Suchimpuls in der Form eines Kegels aus und wartete. Minuten schlichen langsam vorüber, vergingen tröpfelnd und ließen den Jungen in der schwarzen Stille zurück. Wie ein unendlich schwacher Hauch kreuzte dann ein anderer Impuls die Bahn von Huitzinga; ein Faden, gesponnen aus Angst und Unruhe. Cera griff jenen Impuls auf, glitt daran entlang und stellte dann die Quelle fest. Es war die Steuerkanzel der Hunting Bow, und es waren die Gedanken des Kapitäns.
    „Ich habe das Schiff, Arno!“
    Blitzschnell tauschten die beiden Telepathen einen Impuls aus, der ihre bis jetzt getrennten Aktionen verband. Sie trafen sich in einer rätselhaften Dimension wieder, von der aus sie den schlanken Rumpf des Trägerschiffes unter sich dahinziehen sahen, dem fernen Ziel entgegen.
    „Ich sehe es, Cera. Was jetzt?“
    Arno wußte nicht ganz, was zu tun war. Cera erklärte es ihm.
    „Irgendwo weit voraus muß die Gefahr schweben. Ich kann mir durchaus vorstellen, daß es ein Verband feindlicher Schiffe ist, der von Scolquay aufgestiegen ist und der Kampflinie zustrebt. Wir suchen weiter!“
    Binnen nicht ganz sechzig Sekunden sahen die Jungen die feindlichen Schiffe.
    Sie flogen im Verband – zehn mittlere Schlachtschiffe voller neuer Maschinen und frischer Mannschaften. Zehn gegen eins – ein gewohntes und für die zahlenmäßig unterlegene Partei fast immer tödliches Verhältnis während der letzten Jahre dieses Krieges. Die Begegnung des Terra-Schiffes und der kleinen Flotte war rein zufällig. Die Hunting Bow war mit dem Spezialauftrag unterwegs – die Quaysaschiffe waren eben gestartet, um in den Kampf einzugreifen.
    Für das Trägerschiff würde das Treffen den sicheren Untergang bedeuten.
    Drei Sekunden lang korrespondierten Arno und Cera miteinander. Sie drangen dann schlagartig in das Schiff ein und vermittelten sich gegenseitig die Eindrücke, die sie empfingen. Die Männer der Hunting Bow, seit Tagen am Rande ihrer Nervenkräfte, kauerten wortlos

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