TS 88: Das Ende der Zeitreise
Palmenpflanzen im Wind – in einem Wind, der nicht bis hierher kam. Das allerdings war Hagar nichts Unbekanntes. Er wußte von Energieglocken, die von außen undurchsichtig, von innen scheinbar nicht vorhanden waren. Nur, daß diese Energieglocke, wenn es überhaupt eine war, sich mit keiner der bekannten Methoden orten Heß. Was mußten das für Wesen sein, die über derartige perfekte Sicherungsmethoden verfügten? Hagar ärgerte sich, als er sich schon wieder beim Grübeln ertappte. Die Hauptsache war schließlich, daß er hindurchgekommen war! Alles andere würde sich zeigen.
Ohne einen Augenblick länger zu zögern, setzte Hagar sich in Richtung auf den Turm zu in Bewegung. Erst nach einer halben Stunde kam ihm zu Bewußtsein, was er sich damit vorgenommen hatte. Der Turm war vielleicht noch zehn Kilometer entfernt, vielleicht auch weiter, denn Hagar wußte nicht, ob das, was er als den Fuß des Bauwerkes ansah, tatsächlich auf dem Boden stand. Genausogut konnte er jetzt erst das Mittelteil sehen. Das kam auf die Höhe des Turmes an. Zehn Kilometer aber waren mehr, als ein Themanier je in seinem Leben in einem Stück gelaufen war. Die meisten Themanier legten eine solche Strecke nicht einmal im Laufe ihres ganzen Lebens zurück – jedenfalls nicht zu Fuß. Hagar war eine Ausnahme, aber nach drei weiteren Kilometern verließen ihn die Kräfte ziemlich schnell. Er sank auf den Boden und schlief erschöpft ein.
Er mußte noch zwei weitere Ruhepausen einlegen, bevor er den Turm erreicht hatte. Doch er konnte den Triumph nicht voll auskosten, denn er war so ermattet, daß er zuerst keinen Blick an das Bauwerk verwendete, sondern sich mit geschlossenen Augen auf die Plastikfliesen niederkauerte und Kräfte sammelte. Erst nach einigen Minuten hob er den Kopf, richtete seinen Körper mühsam auf und blickte an der glatten Wand empor. Er hätte weder sagen können, woraus das Baumaterial bestand noch welche Farbe es besaß. Beides war undefinierbar. Noch unersichtlicher war der Zweck des Turmes, denn er besaß keinen Eingang.
Diese Ansicht mußte Hagar allerdings revidieren, als er um die nächste Kante des achteckigen Turmes schritt. Es gab einen Eingang! Kreisrund, mit etwa einem Meter Durchmesser, lag er etwa zwei Meter über dem Boden. Hagar fühlte, wie tiefe Resignation ihn übermannen wollte. Wie sollte er diesen Eingang jemals erreichen? Es gab keinerlei Möglichkeit, zu ihm hinaufzusteigen; und Hagars Hände kamen nicht einmal bis zu seinem untersten Rand, denn er war, wie alle Themanier, nicht größer als 125 Zentimeter.
Im ersten Augenblick der Verzweiflung erwog er, den Gleiter zu holen und mit ihm die Höhe des Einganges zu erreichen. Doch dann dachte er an den weiten Weg, den er zu Fuß zurückgehen mußte und gab den Gedanken als undurchführbar auf. Statt dessen versuchte er etwas anderes, für einen stolzen Themanier gänzlich Ungewohntes.
Hagar ging einige Schritte zurück, nahm Anlauf und sprang. Die gekrümmten Finger krallten sich über den Rand des Loches – und rutschten wieder ab. Hagar landete unsanft auf dem Boden. Mit fliegenden Pulsen wartete er, bis sein Atem wieder gleichmäßig ging. Dann versuchte er es zum zweitenmal. Jetzt gelang es ihm, die sich festkrallenden Finger durch den Schwung seines Körpers zu entlasten. Er zog ein Knie über den Rand, warf den Oberkörper mit größter Kraftanstrengung nach vorn – und hatte es endlich geschafft. Mit zitternden Gliedern ruhte er sich aus.
Danach entfernte er den Infrarotfilter von der Helmscheibe, schaltete die Helmlampe an und blickte sich um. Er kniete in einer kreisförmigen Röhre, die horizontal in den Turm hineinführte. Vergeblich suchte er nach Transportbändern oder einer anderen Art der mechanischen Fortbewegung. Nichts dergleichen war hier vorhanden. Hagar war nahe daran, aufzugeben. Doch dann überlegte er, daß er, wenn er jetzt aufgab, niemals das Geheimnis dieser Welt würde lösen können. Er gab sich einen Ruck und kroch auf allen vieren in die Röhre hinein.
Vielleicht fünfzig Meter mochte er auf diese Weise zurückgelegt haben, als er auf eine zweite Röhre stieß, die im rechten Winkel zur ersten stand. Mutlos versuchte Hagar, mit der Hand die gegenüberliegende Wand zu ertasten. Wie sollte er eine glatte, vertikal verlaufende Röhre als Weg benutzen? Aber plötzlich erkannte er die Ursache des bekannten Gefühls, das sein Unterbewußtsein schon seit einiger Zeit wahrgenommen hatte.
Schwerelosigkeit!
In der
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