TS 92: Apollo auf Mondkurs
Kanten und Ecken standen in einem krassen Widerspruch zu sämtlichen Gesetzen der Aerodynamik. Der Mondkäfer war für Flüge im luftleeren Raum entworfen worden, wo man auf den Luftwiderstand keine Rücksicht zu nehmen brauchte.
„Wie eine riesige Krabbe“, stellte Kovac fest.
„Oder ein mißglückter Iglu mit Beinen“, meinte Les Mallon. „Wie sind sie nur jemals auf diese Konstruktion gekommen?“
„Was willst du eigentlich – einen Cadillac?“
„Das wäre nett“, stimmte Mallon zu.
„Ich bin damit auch schon zufrieden“, erklärte Faulk den anderen.
Er hatte die Entstehung des Mondkäfers von der ersten Blaupause bis zu den zahlreichen Tests miterlebt und wußte, daß er für den vorgesehenen Zweck hervorragend geeignet war. Der Luftozean, der die Erde umgibt, macht Symmetrie notwendig – auf dem Mond war sie überflüssig, denn dort ist nichts symmetrisch, dort gab es nichts, was den Mondkäfer aufhalten konnte. Dort wehte kein Wind, fiel kein Regen. Eine bizarre Welt mit Temperaturschwankungen zwischen einhundertdreißig Grad plus und einhundertfünfzig Grad minus. „Eine Welt des Unlebens“, hatte Herndon den Mond einmal genannt – und sie rasten darauf zu.
Wenn alles genau nach Plan verlief, würde die Apollo um T plus zweiundsiebzig Stunden in eine Kreisbahn um den Mond einschwenken – also in etwa vierzig Stunden. Die drei Männer wechselten sich gegenseitig ab und schliefen einige Stunden. Faulk und Kovac sprachen gelegentlich mit Burke, Waco oder Myers und gaben die Werte durch, die ihre Instrumente anzeigten.
Ashfield interessierte sich besonders für ihren Tagesablauf. Wie sehr langweilen Sie sich? Sind Sie aufgeregt … nervös? Haben Sie unbestimmte Angstgefühle?
„Mir paßt das Essen nicht“, teilte Mallon ihm mit. „Wer hat das eigentlich zusammengestellt – ein Chemiker?“
„Ja“, antwortete Ashfield ernst.
Faulk fand es schwierig, sich völlig zu entspannen. Überall drohten Gefahren, denn im Weltraum konnte bereits das Versagen eines winzigen Geräts eine Katastrophe heraufbeschwören. Kovac schien es ähnlich zu gehen, denn Faulk stellte fest, daß der andere immer wieder die Instrumente überprüfte. Nur Mallon blieb völlig ungerührt und verschlief jede freie Minute.
Faulk starrte nach draußen und versuchte sich vorzustellen, was sich in den nächsten Stunden abspielen würde. Die Geschwindigkeit der Apollo nahm durch den Einfluß der irdischen Schwerkraft ständig ab. Schließlich würde sie den Punkt erreichen, an dem sich die Anziehungskräfte des Mondes und der Erde aufhoben, so daß die Raumkapsel fast völlig zum Stillstand kommen würde. Dann wirkte der Mond wie ein riesiger Magnet, der die Apollo immer rascher anzog, bis das Haupttriebwerk des Raumschiffs genügend Bremsschub erzeugte, um die Abwärtsbewegung aufzuhalten. Dieser Augenblick machte Faulk Sorgen.
Er überlegte sorgfältig. Jeder Tropfen Treibstoff war kostbar und durfte nur verbraucht werden, um unbedingt notwendige Manöver oder Kurskorrekturen durchzuführen. Wenn die Apollo sich auf ihrer elliptischen Bahn dem Mond weit genug genähert hatte, mußte das Haupttriebwerk mit äußerster Kraft arbeiten, um das Raumschiff in eine Kreisbahn zu bringen. Von dort aus – in kaum zweihundert Kilometern Höhe – sollten sie die Karten überprüfen, sich mit der Oberfläche vertraut machen, die Umlaufzeit messen und sich auf die Landung vorbereiten …
*
T plus Tag zwei.
„Ein hübscher Vogel“, meinte Kovac.
„Wirklich hübsch“, bestätigte Faulk begeistert und bewegte prüfend einige Bedienungshebel.
Sie saßen nebeneinander in dem Mondkäfer und übten noch einmal die Handgriffe, die sie bereits im Schlaf beherrschten. Durch die Anordnung der Sitze konnte auch Kovac alle Hebel und Knöpfe erreichen, so daß er eingreifen konnte, wenn Faulk ausfallen sollte. Als Kopilot legte er den Kurs fest, las die Instrumente ab und hielt die Funkverbindung aufrecht – kurz gesagt, er stellte Faulks Augen und Ohren dar.
Nachdem sie die Überprüfung sämtlicher Systeme beendet hatten, konzentrierte Faulk seine Aufmerksamkeit auf die Bullaugen. In dieser Beziehung war er nicht so ganz zufrieden. Die Sicht nach vorn und oben reichte gerade noch aus, aber die Triebwerke versperrten ihm den Ausblick senkrecht nach unten. Er mußte sich weit vorbeugen, um eines der vier Federbeine sehen zu können. Das war reichlich wenig.
„Wir werden uns ganz auf Radar und die Messung unserer
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