Tschick (German Edition)
breit kein Mensch mehr, und machten uns ans Werk.
Der Waschmaschinenschlauch war so unbiegsam, dass wir ihn gleich wegschmeißen konnten. Aber mit dem Duschschlauch kam man gut rein in den Tank. Nur Benzin kam leider keins. Dabei war der Tank voll. Der Schlauch war unten fünfzehn Zentimeter nass.
Nachdem ich zehnmal angesaugt hatte und trotzdem nichts kam und Tschick es auch noch zehnmal probiert hatte, guckte er mich an und sagte: «Was war das nochmal für ’n Buch? Wo hattest du das her?»
Und ich hatte absolut keine Lust zu erklären, was das für ein Buch gewesen war. Ich versuchte es weiter mit Ansaugen und merkte auch, wie ich das Benzin hochgesaugt kriegte im Schlauch. Einmal hatte ich es bis an meine Lippen, aber mehr als drei Tropfen flossen am Ende nicht raus. Wir knieten zwischen den parkenden Autos und schauten uns an.
«Ich weiß, wie’s funktioniert», sagte Tschick schließlich. «Du nimmst es in den Mund und spuckst es in unsern Tank. Das funktioniert hundertpro.»
«Und warum ich?»
«War es meine Idee?»
«Ich hab ’ne bessere Idee: Hast du den Tennisball noch?»
«O Mann», sagte Tschick. «O Mann. Das geht nicht.»
«Es ist stockfinster. Keiner sieht uns.»
«Das geht nicht», sagte Tschick und guckte mich an, als ob ihm alles wehtun würde. «Du hast das nicht wirklich geglaubt, oder? Du kannst mit einem Tennisball kein Auto aufmachen. Sonst würde das doch jeder. Der Lada war immer offen, hast du das nicht gemerkt? Das Schloss ist kaputt, oder der Besitzer hat nie abgeschlossen, was weiß ich. Ich glaube, der hat nie abgeschlossen. Weil, so eine Rostlaube klaut doch kein Mensch. Mein Bruder hat das mal rausgefunden und – guck mich nicht so an! Mein Bruder hat mich auch verarscht mit dem Tennisball … oha. Dreh dich nicht um.»
«Was ist?»
«Kopf runter. Da ist jemand, bei den Containern.»
Ich lehnte mich seitlich an den Golf und versuchte, vorsichtig über meine Schulter zu sehen.
«Jetzt ist er weg. Da war ein Schatten hinter der Leitplanke, wo der Flaschencontainer steht.»
«Dann lass uns abhauen.»
«Da isser wieder. Ich rauch mal eine.»
«Was?»
«Tarnung.»
«Scheißtarnung, lass uns abhauen!»
Tschick stand auf und schob dabei Schlauch und Kanister mit dem Fuß unter den Golf. Es machte einen Höllenkrach. Ich stand auch vorsichtig auf. Hinter den Containern bewegte sich was. Ich sah es aus den Augenwinkeln.
«Können auch Zweige sein», murmelte Tschick. Er steckte sich eine Zigarette an, gleich über dem Tank.
«Wirf doch gleich das Streichholz da rein.»
Er nahm ein paar Züge und begann mit Dehnübungen. Es war mit Sicherheit die dümmste Tarnung, die ich je gesehen hatte.
Dann gingen wir extra langsam zum Lada zurück. Im Davonschlendern drückte ich noch die Tankklappe mit der Hüfte zu.
«Ihr Schwachköpfe!», brüllte jemand hinter uns.
Wir schauten in die Dunkelheit, aus der die Stimme gekommen war.
«Eine halbe Stunde macht ihr rum und kriegt’s nicht raus, ihr Schwachköpfe! Ihr Vollprofis!»
«Kannst du vielleicht noch etwas lauter schreien?», sagte Tschick und blieb stehen.
«Und dann noch rauchen!»
«Geht’s noch lauter? Kannst du bitte über den ganzen Parkplatz schreien?»
«Ihr seid doch zum Ficken zu blöd!»
«Stimmt. Kannst du dich jetzt wieder verpissen?»
«Schon mal was von ansaugen gehört?»
«Und was machen wir hier die ganze Zeit? Los, hau ab!»
«Pschhhht!», sagte ich.
Geduckt standen Tschick und ich zwischen den Autos, nur dem Mädchen war natürlich alles egal. Sie überblickte den ganzen Parkplatz.
«Ist doch eh keiner da, ihr Angsthasen. Wo habt ihr denn den Schlauch?»
Sie zog unsere Gerätschaften unter dem Golf hervor. Dann steckte sie ein Ende vom Schlauch in den Tank und das andere Ende und einen Finger in ihren Mund. Sie saugte zehn-, fünfzehnmal, als würde sie Luft trinken, dann nahm sie den Schlauch mit dem Finger drauf aus dem Mund.
«So. Jetzt, wo ist der Kanister?»
Ich stellte ihr den Kanister hin, sie hielt den Schlauch in die Öffnung, und das Benzin schoss aus dem Tank. Von ganz allein, und es hörte auch überhaupt nicht mehr auf.
«Wieso ging das bei uns nicht?», flüsterte Tschick.
«Das hier muss unter dem Wasserspiegel sein», sagte das Mädchen.
«Ach ja, unter dem Wasserspiegel», sagte ich.
«Ach ja», sagte Tschick, und wir sahen zu, wie der Kanister sich langsam füllte. Das Mädchen kauerte am Boden, und als nichts mehr kam, schraubte sie den Verschluss wieder drauf,
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