Tschick (German Edition)
hinterm Rücken hielt. Offenbar hatten wir genau den gleichen Gedanken gehabt. Auf ein Zeichen von Tschick packten wir Isa und warfen sie ins Wasser.
Eine Fontäne spritzte senkrecht hoch, als sie unterging, und eine zweite, als sie wieder auftauchte und mit den Armen schlug, und erst in dem Moment fiel mir ein, dass wir ja gar nicht wussten, ob sie schwimmen konnte. Sie schrie und planschte erbärmlich – aber dann doch so übertrieben erbärmlich und hundepaddelnd, ohne nur einen einzigen Millimeter abzusacken, dass man genau sah, dass sie schwimmen konnte. Sie schüttelte die nassen Haare, machte ein paar Brustschwimmzüge und verfluchte uns. Tschick warf ihr eine Flasche Duschdas zu. Und während ich noch überlegte, ob ich das jetzt lustig finden oder Mitleid haben sollte, bekam ich schon einen Stoß in den Rücken und fiel auch in den See. Es war noch kälter als kalt. Ich tauchte auf und schrie, und Tschick stand am Ufer und lachte, und Isa fluchte und lachte abwechselnd.
Die Betonsperre war zu hoch zum wieder Rausklettern, und wir mussten quer durch den ganzen See bis zur einzigen Stelle mit flacher Böschung schwimmen, und während wir schwammen, beschimpfte Isa mich unaufhörlich und meinte, ich wäre ein noch größerer Volltrottel als mein Homofreund, und versetzte mir unter Wasser Tritte. Wir gerieten in eine Balgerei. Währenddessen spazierte Tschick zum Auto, zog sich pfeifend eine Badehose an und kam mit einer Zigarette im Mundwinkel und einem Handtuch über der Schulter zurück.
«So badet der Gentleman», sagte er, machte ein vornehmes Gesicht und sprang mit einem Köpper in den See.
Wir verfluchten ihn gemeinsam.
Als wir an Land kamen, zog Isa sofort Shirt und Hose und alles aus und fing an, sich einzuseifen. Das war ungefähr das Letzte, womit ich gerechnet hatte.
«Herrlich», sagte sie. Sie stand im knietiefen Wasser, schaute in die Landschaft und schäumte ihre Haare ein, und ich wusste nicht, wo ich hingucken sollte. Ich guckte mal hier-, mal dahin. Sie hatte eine wirklich tolle Figur und eine Gänsehaut. Ich hatte auch eine Gänsehaut. Als Letztes kam Tschick zu der flachen Stelle gekrault, und komischerweise gab es überhaupt keine Diskussionen mehr. Keiner sagte etwas, keiner fluchte, und keiner machte einen Witz. Wir wuschen uns nur und keuchten vor Kälte und benutzten alle dasselbe Handtuch.
Mit Blick auf Berge und Täler im Abendnebel aßen wir dann einen Kanister Haribo, der noch vom Norma übrig war. Isa hatte ein T-Shirt von mir an und die glänzende Adidas-Hose. Ihre stinkenden Sachen lagen hinten am Ufer und blieben dort auch liegen, für immer.
Wir versuchten an diesem Abend noch mehrfach rauszukriegen, wo sie denn eigentlich herkam und wo sie wirklich hinwollte, aber alles, was sie erzählte, waren wilde Geschichten. Sie wollte ums Verrecken nicht sagen, was sie auf der Müllkippe gemacht hatte oder was in ihrer Holzkiste drin war, die sie mit sich rumschleppte. Das Einzige, was sie verriet, war, dass sie Schmidt hieß. Isa Schmidt. Das war jedenfalls das Einzige, was wir ihr glaubten.
33
Früh am nächsten Morgen marschierte Tschick allein los, um im Dorf unten irgendwas zu essen zu kaufen. Ich lag noch im Halbschlaf auf der Luftmatratze und schaute in die dämmrige Landschaft, und Isa stand in der offenen Heckklappe vom Lada und fragte nochmal, ob wir nicht zufällig eine Schere dabeihätten und ob ich ihr die Haare schneiden könnte.
Tatsächlich fand sich im Verbandskasten eine ganz kleine Schere, aber ich hatte noch nie Haare geschnitten. Das war Isa egal, und sie wollte alles komplett ab, bis auf einen Pony vorne. Sie setzte sich an den Rand der Staustufe, zog ihr T-Shirt aus und sagte: «Fang an.»
Nach einer Weile drehte sie sich zu mir und sagte: «Warum fängst du nicht an? Ich will nicht, dass das T-Shirt voll Haare wird.»
Also fing ich an. Anfangs versuchte ich, Isas Kopf nicht dauernd mit der Hand zu berühren, aber es ist schwer, jemandem mit einer so winzigen Schere einen Skinhead zu verpassen, ohne sich abzustützen. Und noch schwieriger ist es, nicht dauernd auf eine nackte Brust zu gucken, die gerade so vor einem hängt.
«Guck mal, der holt sich einen runter», sagte Isa. Ich sah zum Waldrand hin. Da stand ein alter Mann vor den Bäumen, also nicht mal hinter den Bäumen, sondern davor, die Hose auf die Knie runtergelassen und wedelte sich einen von der Palme.
«O Mann», sagte ich und ließ die Schere sinken.
Isa sprang auf, sammelte
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