Tschoklet
es viele Gebäude und Hallen, die andere ist praktisch leer. Nur ein großer Wald mit ein paar kleinen Häusern, einem Bunker und einer Betonplatte mit zwei runden Aussparungen. Vermutlich stand dort ein Flugabwehrgeschütz mit versteckten Munitionslagern. Wilson sagte uns, wir sollen uns komplett von dort fernhalten. Das Gelände enthält angeblich unterirdisch einige sehr unangenehme Überraschungen. Die Franzosen seien deswegen auch so aggressiv.«
»Sehr gut, Roebuck. Sagen Sie Christine, sie soll innerhalb der Stadt möglichst im Fahrzeug bleiben. Wir setzen sie am Krankenhaus ab, danach kann sie nach ihrer Tante oder was-weiß-ich-wem schauen. Laut meinem Plan gibt’s in Karlsruhe noch die Grenadierkaserne auf der Moltkestraße, die Telegrafenkaserne in der Ludendorffstraße {24} , die Dragonerkaserne an der Kaiserallee, die Artillerie- und Polizeikaserne am Hermann-Göring-Platz und die General-Forstnerkaserne am Ende der Hindenburgstraße {25} . Die anderen Namen konnte ich in der Eile nicht von Machnauers Liste übertragen. Wir sollten die stark zerstörten Bereiche in der Innenstadt meiden. Vickers und Piece, bitte aufpassen, im Stadtgebiet fährt eine Straßenbahn, teilweise gelb oder grau gestrichen, und eine Trümmerbahn mit Dampflokomotiven auf der Ost-West-Achse zwischen Schlossplatz und dem Rheinhafen. Wenn wir Zeit haben, schauen wir uns dort noch um. Heute Vormittag fahren wir mal Richtung Sportplätze an der Telegrafenkaserne. Die können wir dann beide hoffentlich bald links sehen. Zuletzt möchte ich Sie alle noch einmal an das bestehende Fraternisierungsverbot erinnern. Kein Kontakt zu den Karlsruher Einwohnern, es sei denn dienstlicher Natur! Also, los geht’s. Und aufpassen, hier ist viel Verkehr!«
Ein Fuhrwerk, mit Gemüse und Heu beladen, fuhr quietschend und knarrend an den Amerikanern vorbei. Auf dem hinten offenen Wagen saßen ein paar alte Leute mit Koffern und winkten freundlich. Der Kutscher fiel vor Neugier fast von seinem Bock. Auf der schnurgeraden Reichsstraße waren viele schwer bepackte Menschen, zahlreiche Flüchtlinge, Hunde, mehrere barfüßige Kinder und Radfahrer mit Säcken, Taschen und Koffern von und nach Karlsruhe unterwegs, ein schwer beladener kleiner Lastwagen mit Holzrädern und einer Holzgasanlage kam ihnen langsam entgegengetuckert.
Das Halbkettenfahrzeug und der kleine Dodge-Lastwagen reihten sich hupend in den Verkehr ein und fuhren zwischen den langsameren Fußgängern und Pferdewagen Schlangenlinie. Nach kurzer Zeit sahen sie die ersten Häuser und Kleingartenanlagen. An der Kreuzung Scharnhorststraße {26} bogen sie nach links in Richtung westliche Innenstadt ab. Kurz darauf sahen sie bereits den von Edwards erwähnten Sportplatz des Karlsruher Fußballvereins mit einigen Bombenkratern darauf und die schiefergedeckten Dächer der Telegrafenkaserne. Beim näheren Hinsehen erkannte man starke Kriegsschäden an den Gebäuden und zahlreiche Einschusslöcher an den Fassaden, die im Hof gelegenen Stallgebäude waren teilweise ausgebrannt, diverse Nebenbauten bestanden nur noch aus einem hohlen Gerippe der Außenwände. An der Kreuzung Ludendorffstraße, wo die Scharnhorststraße in die Moltkestraße überging, waren rechts viele Kleingärten, in denen die Besitzer alle Flächen zum Anbau von Gemüse und Getreide nutzten. Zwischen der zerklüfteten Silhouette von zerstörten Mühlburger Häusern war am Horizont der noch intakte Kamin des Elektrizitätswerks des Rheinhafens zu sehen.
Anscheinend waren die Bomben hier nur in die Hinterhöfe gefallen, denn die Straßenhäuser der Moltkestraße waren in diesem Bereich bis auf wenige Ausnahmen unbeschädigt. An einigen Stellen klafften dagegen große Löcher in der Kasernenmauer, diese waren nur mit ein paar dünnen Brettern provisorisch abgesperrt. Als nach einigen Hundert Metern das Städtische Krankenhaus auf der linken Seite auftauchte, wurde Christine hinten im Dodge ganz nervös.
»Hier ist vielleicht irgendwo meine Tante! Ich habe es geschafft!«
Als Vickers und Piece dann bei der Kußmaulstraße rechts am Fußweg im diffusen Licht einiger knorrigen Akazien anhielten, durfte sie endlich aussteigen. Trotz der warmen Mittagssonne hatte sie sich ein dunkelblaues Kopftuch übergezogen und einen grauen, zerschlissenen Mantel bereitgelegt. Natürlich hatte sie auch die Uniformhose mit einem grauen, langen Rock getauscht.
»Blondie, um siebzehn Uhr holen wir dich hier wieder ab«, wurde sie durch Captain Edwards
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