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Tschoklet

Titel: Tschoklet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Pflug
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Jimmy Piece, unser Medizinmann.« Er lachte Christine an und nickte ihr zu, dann wandte er sich an Roebuck: »Schauen Sie, dass wir heute Abend ein gutes Steak haben, Eier besorgt die junge Lady für uns. Die Leute essen mit uns, also kein Standardfutter! Joey, holen Sie den Wein aus Ihrem Rucksack!«
    Vickers hustete den Zigarettenrauch aus seinen Lungen und sah seinen Vorgesetzten verdutzt an. »Wein? Was meinen Sie?«
    »Ich bin zwar Offizier und soll Ihnen Befehle geben, aber ich bin nicht blind. Die beiden Kinder an dem Kanal hatten eine Flasche dabei, als sie kamen, und einen Karton, als sie gingen. Also haben Sie den Wein für eine bessere Gelegenheit in Ihren Rucksack gesteckt. Hätte ich genauso gemacht.«
    Als die Sonne schräg über den Rheinauen stand und bereits der untere Rand den Horizont berührte, saßen die Soldaten, Christine und ihr Stiefvater, der Pfarrer, bei einem kleinen Feuer zwischen den Fahrzeugen und aßen die gebratenen Fleischstreifen der Amerikaner. Roebuck hatte die Steaks mit seiner Kräutermischung gewürzt und aus gesammelten jungen Löwenzahnblättern einen sehr schmackhaften Salat mit Essig und Öl zubereitet. Zusätzlich hatte er gebackene weiße Bohnen mit Rührei angerichtet und verteilt.
    Der alte Mann, den Christine am Nachmittag begrüßt und umarmt hatte, war nicht mehr so rüstig. Deswegen bekam er das Essen und den Weißwein ins Haus gebracht und freute sich riesig darüber.
    Er strahlte und nuschelte seine Freude heraus: »Jetscht wird allesch gut, mein Kind. Jetscht wird allesch gut.«
    Hucky hatte als Sitzgelegenheit einige leere Munitionskisten aus der Halbkette geholt und um das Feuer herum aufgestellt. Christine saß zwischen Roebuck und Letchus. Hucky, Piece und Jonas direkt dahinter auf der geöffneten Pritsche des Dodge. Mit Händen und Füßen unterhielten sie sich mit Christine, die die ganze Zeit nur lachte und kicherte, da ihr der Wein zu Kopf gestiegen war. Der Pfarrer saß etwas abseits, war sehr schweigsam und wollte mit den Soldaten keine Kontakte knüpfen.
    Gegen neun Uhr abends, als die Dunkelheit über das Dorf hereinbrach, verabschiedete sich der stille Gast, bedankte sich bei Roebuck und beglückwünschte ihn knapp zu seinen Kochkünsten.
    Dieser und Piece waren seit der frühen Dämmerung schon abseits der Gruppe gestanden und hatten sich mit Maschinenpistolen bewaffnet. Christine war lange bei ihnen gestanden und unterhielt sich gestenreich mit den beiden. Zwischendurch hatte sie immer wieder intensiven Blickkontakt mit Roebuck gesucht. Piece hatte dies anfangs erst nicht bemerkt, doch als Corporal Roebuck plötzlich sehr schweigsam war und mit seiner freien rechten Hand nach der Hand von Christine griff und mit dem Daumen streichelte, machte er einige Schritte rückwärts und grinste. Verlegen nahm er seine Brille von der Nase und putzte sie mit einem zerknitterten Stofftaschentuch.
    Christine, die eine dünne Sommerbluse trug, war bis auf wenige Zentimeter an den einen Kopf größeren Roebuck herangerückt, sie sah ihm tief in die dunklen Augen, ihr Herz pochte schnell und sie hatte einen Kloß im Hals. Als er vor einigen Minuten ihre Hand ergriffen hatte, durchfuhr es sie wie ein Stromschlag. Zuerst wollte sie sie noch zurückziehen, doch die Wärme seiner Hand verbreitete sich in ihrem ganzen Körper und verzauberte sie. Mit einem Seitenblick nahm sie wahr, dass der andere Soldat, der mit ihm Wache hielt und den sie Jimmy nannten, die Situation erkannt und sich etwas entfernt hatte. Nur gelegentlich sah er neidisch herüber.
    Heute Mittag hatte sie sich noch wahnsinnig erschrocken, als die Soldaten aus ihrem Fahrzeug ausstiegen und sie ansprachen. Sie konnte sich zu gut an die Geschichte ihrer jüngeren Freundin Maria aus der Enderlestraße erinnern, die von drei Franzosen im Straßengraben vergewaltigt wurde und sich anschließend mit schwersten Verletzungen, und nur in ihrer Unterwäsche, zurück nach Ketsch geschleppt hatte. Marias Freund war noch im März 1945 mit sechzehn Jahren zum Volkssturm einberufen worden und wurde nach nur einem Tag von den vorrückenden Amerikanern in der Nähe von Mutterstadt erschossen. Er hatte zwar ein Gewehr, aber keine Munition dazu erhalten.
    Christine fröstelte und sie bekam eine Gänsehaut. Roebuck hielt ihre Hand nach wie vor fest, tat aber sonst nichts. Er stand einfach nur da und blickte sie an.
    Plötzlich meldete sich Piece zu Wort und sagte: »Ich geh mal rüber auf die andere Seite, da habe ich

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