Tschoklet
Hauptquartier am Marktplatz {8} .« Der Offizier rief seinen Leuten einige Befehle zu, diese fingen sofort an, die Stacheldrahtrollen zusammenzuschieben und zu binden sowie die aufgestellten Schilder zu entfernen. Nach wenigen Minuten war alles abgebaut und der Weg wieder frei. Die Soldaten entfernten noch das Tarnnetz von ihrem Lastwagen, stiegen hastig hinein und fuhren davon.
Piece saß noch immer rauchend im Dodge und sah den Franzosen hinterher. »Die haben’s immer so eilig! Wollen die das Abendessen in der Kaserne nicht verpassen?« Er lachte und schüttelte den Kopf. Edwards stieg wieder auf den Beifahrersitz und winkte zu dem Private rüber.
»Lassen Sie uns auch fahren. Passen Sie an der Kreuzung auf, keinen Unfall zu machen! Hier gibt’s wilde Radfahrer! Biegen Sie links ab!«
»Aber Vickers ist doch geradeaus …!«
»Links abbiegen, Jimmy! Wir fahren dem Sniper nach!«
Der Private lächelte stolz. Zum ersten Mal nach sieben Monaten Militärzeit hatte ihn ein Offizier beim Vornamen genannt.
Der müde französische Brigadier, der im Leichenhaus des städtischen Krankenhauses in Karlsruhe gerade seine Nachtschicht angetreten hatte, legte keinen Wert darauf, die drei in Zinksärgen frisch angelieferten toten Franzosen aus Neulußheim noch einmal zu besichtigen. Wäre aber besser gewesen. Egal, dachte er sich, bald ist wieder Wochenende. Er hasste diese langweiligen Nächte in dem muffigen Büro, fernab der frischen Luft, tief unten in den Gewölben. Acht Stunden Wache an einem Telefon, was in den letzten sechs Wochen nur ein einziges Mal geklingelt hatte. »Pardon, verwählt!« Er hätte dem Colonel am liebsten in den Allerwertesten getreten, als der damals entschied, dass das Leichenhaus auch nachts besetzt sein musste. Der sollte sich hier mal Nacht für Nacht hinsetzen und nicht jeden Abend mit den Frauen feiern und das Frühstück ans Bett gebracht bekommen. Er hasste sie, die trägen Offiziere, die Generäle, die fern jeglicher Realität irgendwelche stupiden Befehle in ihren kranken Hirnen ersannen. Verdammte Armee!
Er selbst hatte am Vorabend auch zu viel getrunken. Verdammter Rotwein!
Kurz überflog er die mitgelieferten Papiere, gähnte, lehnte sich auf dem knarrenden Holzstuhl nach hinten und rieb sich die Augen. Mord. Tod durch Erschießen. Tja, Pech gehabt. Wieder gähnte er laut und befestigte schlaftrunken jeweils am Deckel des Blechsargs die obligatorischen Zettel mit den handgeschriebenen Namen der Toten. Ende. Licht aus.
Bruinard , Francois, Brigadier
Saicharev , Osman, Sergeant-chef
Bricourt , Alain, Commandant
Kapitel 13
Nachdem Vickers alle noch umstehenden Soldaten von der Kreuzung aufgesammelt und auf die Ladefläche der Halbkette gescheucht hatte, fuhr er langsam und bedächtig unter den Schatten spendenden Alleebäumen Richtung Waghäusel. Letchus war sehr überrascht gewesen, dass der Captain einfach so ohne ihn davongefahren war. Christine hatte die Abfahrt erst gar nicht bemerkt, weil sie mit einem älteren Mann sprach. Die plötzliche Situation, ohne fahrbaren Untersatz zu sein, interessierte sie nicht sonderlich. Erst als Vickers sie wegzog und zur Halbkette komplimentierte, wurde ihr alles bewusst.
Sie war schon seit letztem Jahr nicht mehr hier gewesen. Der ehemalige Kirchendiener aus Altlußheim hatte ihr alles erzählt, was so passiert war. Auch hier waren zahlreiche Frauen von den marokkanischen Truppen vergewaltigt worden und die Franzosen waren kurz nach Ostern 1945 plündernd durch die Ortschaften gezogen. Der ehemalige Ortsvorsteher konnte die Soldaten nur im letzten Moment daran hindern, den einzigen Feuerwehrwagen mitzunehmen, und wäre dabei fast erschossen worden.
Christine drängte sich zu den anderen in die Halbkette hinein und winkte zum Abschied den Bewohnern des Ortes zu.
Letchus war sehr ungehalten, dass er seine geliebte Funkanlage verlassen musste oder besser, diese ihn verlassen hatte. Obwohl Vickers nur im Schritttempo Richtung Ortsausgang trottete, war kein Dodge zu sehen, der von hinten wieder aufschloss.
Als man die letzten Häuser in der von den Bäumen fast überdachten Straße hinter sich gelassen hatte und die Sonne wieder auf das Fahrzeug herunterbrannte, fuhr Vickers etwas schneller, um wenigstens eine kleine Kühlung durch den Fahrtwind zu bekommen. Die Straße wandte sich nach links in Richtung eines Waldes, während rechts ein großer See mit Schilfbewuchs am Ufer in Sichtweite kam. Dieser See war nach einigen Kilometern
Weitere Kostenlose Bücher