Tschoklet
Landkarte. Letchus und Vickers hatten sich derweilen aufgemacht, um ein einige Hundert Meter weiter vorn im Straßengraben liegendes Fahrzeugwrack der Wehrmacht genauer in Augenschein zu nehmen. Vorsichtshalber hatte der Funker die Thompson-Maschinenpistole mitgenommen. Wieder schnüffelte er daran.
»Sag mal, Joey, wonach riecht die Thompson eigentlich? Das ist doch kein Waffenöl!«
Vickers grinste. »Roebuck hat vor ein paar Tagen draufgekotzt, als Private Preston vor unseren Augen einen Kopfschuss bekam. Der Schuss hatte Edwards gegolten, aber der Private stand im Weg. Das war das erste Mal, dass der Sniper uns beschossen hat.«
Letchus drehte die Waffe am Schultergurt auf den Rücken und wischte sich mit verzogenem Gesicht die Hände an der Hose ab. »Harrison, der Ex-MP?«
»Ja, Sergeant Harrison. Edwards hat ihn beim Klauen in Mannheim erwischt. Ein paar Tage später wurde er zum Corporal degradiert und ihm wurden alle MP-Vergünstigungen entzogen. Seitdem ist er auf der Flucht. Vermutlich will er sich rächen.«
»An Edwards?«
»Ja.«
»Der meint es aber sehr ernst! Erst hat er auf euch geballert, dann der missglückte Versuch mit der Panzermine. Wie viele Menschen mussten denn schon draufgehen?«
»Zu viele! Mindestens vier! Ich bin mir nicht sicher, ob man Boone auch dazuzählen kann. Umständehalber gehört er dazu. Also fünf Tote.« Vickers zündete sich eine neue Zigarette an, vorher spuckte er noch seinen Kaugummi aus. Die beiden Soldaten waren an dem Fahrzeugwrack angekommen. Es war ein Halbkettenfahrzeug der Wehrmacht mit einer doppelten Flugabwehrkanone auf der Ladefläche. Von dem Fahrzeug fehlte das vordere Ende mit dem Motor und den Rädern. Die traurigen Reste lagen schief im Straßengraben, halb umgekippt auf der rechten Seite. Vermutlich war man auf eine Mine gefahren oder hatte einen direkten Treffer eines Panzers erhalten.
»Die hat’s aber bös erwischt! Amos, schau mal, da unten, da liegt eine deutsche Uniformjacke, siehst du? Da hinten, an der Kanone unter dem verbogenen Blech.«
Letchus kletterte akrobatisch auf die schiefe Ladefläche und zog vorsichtig das graugrüne Kleidungsstück unter der mit getrockneten Blutspritzern gesprenkelten Panzerung heraus. Dabei riss die Jacke ein und ein Ärmel blieb eingeklemmt zurück. Er hielt den Fetzen triumphierend in die Luft, denn es waren noch Abzeichen daran. Plötzlich rutschte eine kleine hellbraune Mappe aus dem Stoff heraus und fiel direkt vor Letchus’ Stiefel.
»Ist das ein Notizbuch?« Vickers deutete auf den Gegenstand.
Letchus hob das Mäppchen auf und musterte es von verschiedenen Seiten. Auf einmal grinste er, zog einen perfekt erhaltenen Pass der Wehrmacht aus der Hülle heraus und machte große Augen aufgrund seines Fundes. Damit hatte er nicht gerechnet. Er öffnete das Dokument, blätterte ein wenig darin herum und warf den Pass seinem Kameraden zu. Er durchsuchte noch einmal die zerfledderte Jacke und löste vorsichtig die vorhandene Unteroffiziersschulterklappe und den verbogenen Adler auf dem Hakenkreuz ab. Den Rest der Uniformjacke warf er enttäuscht in das Wrack zurück und sprang wieder auf die Straße.
Vickers betrachtete sich das Foto und die Daten im Pass und las vor: »Erich Rudolf Jadüschke, geboren 1916 in Dresden, war Stabsunteroffizier bei dem Mobilen Flugabwehrbataillon 384 und wurde kurz vor Kriegsende im März 1945 noch zum Fliegerhorst Kirrlach bei Waghäusel versetzt. Abkommandiert zum Schutz der sechzehn Flugzeuge vom Typ Messerschmitt Bf109 der 9. Staffel, Jagdbombergeschwader 53. In einer Zeit, als das Deutsche Reich bereits fast komplett von den Alliierten besetzt worden war.«
»Fliegerhorst Kirrlach?«
Vickers schaute Letchus an. »Kirrlach ist doch da hinten im Wald.« Er deutete nach Osten. »Als ich bei Edwards in die Karten geschaut habe, war aber keiner drauf! Du, das sind nur ein paar Kilometer von hier! Vorhin sind wir an dem Schild vorbeigefahren!«
Der Funker war schon einige Schritte zurück zu den anderen gelaufen. Mit dem Zigarillo im Mundwinkel schaute er sich seine Trophäe an und steckte sie strahlend ein.
»Joey, komm! Edwards und Piece sind soeben angekommen. Ich glaube, die warten schon auf uns.«
Der Captain, Private Piece und der neue Gunner van Bouren standen bereits bei den anderen Soldaten und sprachen miteinander. Edwards zeigte gerade mit der Hand in verschiedene Richtungen, während er ernst auf die anderen einredete. Als Letchus und Vickers an der
Weitere Kostenlose Bücher