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TTB 100: Der Traum der Maschine

TTB 100: Der Traum der Maschine

Titel: TTB 100: Der Traum der Maschine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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schwammigen Gestein verlassener Schwarzpelzhöhlen, hatten sich die Jäger eingenistet und waren seßhaft geworden. Das Talbecken, mit Hochmooren und sumpfigen Niederungen durchzogen, bot ihnen Schutz und Lebensmöglichkeiten.
    Die langen Wanderungen waren vergessen ...
    Die hungrige Suche nach allem Eßbaren, die bange Sorge während des grünen Nebels, der alles einhüllte und den Tod brachte, wenn man nicht genügend Nahrung und Vorräte hatte. All das war vorbei.
    Niemand dachte daran, außer dem uralten Jäger. Sie hatten ihn Avik genannt; Avik, das war das riesige Tier mit schwarzem Pelz, das in den Höhlen wohnte und ein schwer zu jagendes Wild war. Avik war es gewesen, der die Sippe hierhergebracht hatte. Manchmal, wenn die Jäger die Erns zu Zeiten der Wanderungen zu Hunderten in den Gruben fingen und wenn mehr Fleisch verdarb, als gegessen werden konnte, beschlich den Alten ein unbehagliches Gefühl.
    Sicher, seit unbestimmbaren Zeiten nahmen die Erns den Weg durch das Tal, wenn der Nebel sich auflöste. Aber was würde sein, wenn einmal die Tiere ausblieben?
    Wenn die Nebel kamen, ohne daß man Berge toter Erns eingefroren hatte? Die Sippe war stattlich geworden, und sie wuchs immer mehr. Kaum noch wurde ein Jäger durch den Jagdtod dahingerafft; das Leben war leichter geworden für die Sippe Aviks.
    Zu leicht. Die Jungen wuchsen auf, ohne viel zu lernen. Wer konnte noch Fährten lesen? Oder mit dem Speer den Fisch stechen? Kaum einer der jüngeren Jäger. Alles wurde vergessen und aus Faulheit abgelehnt. Man hatte Fleisch in Mengen – was brauchte man mehr?
    Das Feuer flackerte, und Avik saß daneben und wärmte die alten Glieder. Diese Dinge waren es, an die er jetzt dachte. Stundenlang starrte er in die helle Glut, den mächtigen Kopf mit den stechenden Augen auf die Knie gelegt.
    Er dachte an die Züge längst vergessener Zeiten. Bilder verwegener Kämpfe zogen an seinem geistigen Auge vorbei. Er sah sie wieder, die großen Jäger seiner Sippe. Den Erntöter, den Komon und die Berggeher. Alle waren auf der Jagd geblieben und nicht mehr an die Feuer zurückgekehrt.
    Dann hob Avik den Kopf und sah die Männer an, die jetzt mit ihm zusammen waren. Sie sahen anders aus; ungefährlicher und weich. Sie hatten sich vermischt mit jenen, die in den Löchern gehaust hatten, ehe Avik seine Leute hierherführte.
    Avik versank in die Welt seiner Gedanken und starrte ins Feuer. Nur für ihn erstanden wieder aus den Flammen die Bilder von Kämpfen, von heißen Jagden und die der Männer, die einst waren.
    Jetzt ging die kalte Zeit vorüber. Der Wind wurde warm, die Feuer brannten nicht mehr ununterbrochen, und das Leben würde ins Erntal zurückkommen.
    Vier Tage nachher, als sich der letzte grüne Schleier aufgelöst hatte, ging Avik den lehmigen Pfad hinunter. Die Farbe des Tages war verhangen, und der kalte Wolkenatem über dem Boden schien blau zu sein. Das war gut; bald würden die Herden der Erns kommen.
    Suchend und in gebückter Haltung lief Avik über das gefrorene Wasser. Er suchte die ersten Spuren, denn einige der Tiere hatten es immer eilig und kamen früher als die langen Züge. Hinter Avik ging sein Sohn. Er war es, dem Avik all sein Wissen über die Dinge der Jagd weitergegeben hatte. Kuva, der Jüngere, hatte erst siebzehn Nebelzeiten erlebt, aber er war ein guter Jäger. Die beiden Jäger kamen an das schmale Wasser, das quer durch das Tal floß. Hier war die weiße Decke eingebrochen, und die Spur des Ern führte in den Wald, hinein.
    »Dort ist Beute«, flüsterte Avik. Kuva nickte. Lautlos folgten die Jäger der Spur. Der Wind roch nach frischer Erde und kam vom Wald auf sie zu.
    Vorsichtig krochen sie durch die Büsche. Sie schoben das Gestrüpp mit den Händen zur Seite. Da – wieder ein Windstoß! Er brachte unverkennbar den Geruch frischer Losung. Ohne einen Laut durchquerten die beiden Jäger jetzt das Gebüsch. Avik gab ein Zeichen: Der Ernbulle ist ganz in der Nähe, hieß das. Sie hatten noch einige Schritte bis zu der Lichtung, da sahen sie den mächtigen Bullen. Seine Schaufeln stachen in den Himmel. Die Bewegungen der Jäger erstarrten.
    Der Bulle, braun und mit dem lichten Fell der kommenden warmen Tage, stand aufrecht, vor dem Dickicht. Er hatte wunde Fesseln. Dann schnaubte er, begann zu scharren und warf eine Grube auf. Zwischen den Bewegungen witterte er und sah sich um. Geduldig, und ohne auf die nasse Kälte des Bodens achtend, kauerten Avik und Kuva auf der Erde. Ihre

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