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TTB 100: Der Traum der Maschine

TTB 100: Der Traum der Maschine

Titel: TTB 100: Der Traum der Maschine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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Sein Schweif war buschig und senkrecht aufgestellt. Dann sah Kuva Pfeile aus der Dunkelheit kommen. Schattenhaft, als Striche huschten sie zu dem flüchtenden Wasat, ein Pfeil bohrte sich ins Fell. Blut tropfte hervor.
    Morlok senkte müde seine Arme und erschlaffte. Der Bann wich von ihm. Er fuhr sich mit der schmutzigen Hand über den Nacken, bemerkte Kuva und lächelte kaum wahrnehmbar. Er stand auf und hielt die Hände über das wärmende Feuer. Die anderen Jäger blieben in der Hocke und griffen nach den großen Bögen. In blitzschnellem Wechsel sausten Pfeile gegen die bemalte Felswand und zerbarsten. Dann verließen die Jäger die Höhle. Nur Morlok und Kuva blieben am Feuer. Sie sprachen leise über die Jagd auf die mächtigen Wasate, die in den Niederungen bei dem großen Wasser wohnten.
    Nach einer langen Zeit – das Feuer war fast niedergebrannt – stellte Kuva die entscheidende Frage.
    »Sind die Späher zurückgekommen?«
    Bedächtig nickte Morlok. Der Geist in ihm hatte sich beruhigt.
    »Sie kamen vorhin. Sie haben schlechte Nachrichten gebracht. Nun ist es sicher, daß deine Leute ohne Fleisch bleiben werden. Die Herden haben einen großen Bogen nach Sonnenuntergang gemacht. Sie sind seit langen Zeiten am Tal vorbeigewandert.«
    »Kennst du den Grund?« fragte Kuva und warf neues Holz ins Feuer.
    »Ich kenne ihn«, sagte Morlok. »Zahntiger haben sie vertrieben. Meine Späher sahen die Spuren. Es müssen mehr als zehnmal zehn sein. Sie umkreisen die Herden und reißen die Erns. Warum die Zahntiger in Rudeln jagen, weiß ich nicht. Nun komm – wir verlassen heute nacht das Tal.«
    Es war dunkel. Die blutigrote Sichel des Mondes stand am Himmel. Die Jäger brachen auf, leise, ohne zu sprechen und Lärm zu machen. Die Höhlenleute merkten nichts, sie schliefen und hatten sich hinter die Feuer verkrochen; es war die Zeit der Geister und Dämonen der langen Nacht. Erst das Licht der wärmenden Sonne, des Tagauges, würde die Ängste der Höhlenmenschen vertreiben, darum hatte Morlok die Nacht gewählt.
    Dichte Nebelschwaden zogen durch die Schneisen der sumpfigen Wälder. Der Jäger Morlok nahm die Spitze des langen Zuges ein, neben ihm ging mit halbgespanntem Bogen Kuva. Eine Eule schrie, und Kuva duckte sich ängstlich. Hinter ihnen, gebeugt unter der Last der mitgeführten Fellbündel, schritten die anderen Jäger mit ihren Frauen. Manchmal schreckte ein Kind aus dem Schlaf, schrie auf und beruhigte sich wieder. Das gleichmäßige Schaukeln am Rücken der Mutter beruhigte. Der schwarze Himmel lichtete sich, und das erste Licht des Auges, das am Tage strahlte, huschte über den Horizont. Ein Wind kam feucht und kalt auf, und die Jäger froren, als sie aus dem Wald traten. Vor ihnen lag jetzt die weite Tundra. Hinter den noch dünnen Grünnebeln schien eine verhangene Sonne.
    Es wurde gelagert, und man ließ die schweren Lasten von den Schultern gleiten. Um Zeit zu sparen, machte man nur drei Feuer an und briet das Fleisch. Man aß an der Lagerstelle, ruhte sich etwas aus und folgte dann Morlok, der, bald das Zeichen zum Aufbruch gab. Es ging in der Richtung des Sonnenunterganges weiter, den Wasatsteppen entgegen. Morlok gönnte seinen Leuten keine Ruhe. Auf seinen Schultern lag die Verantwortung, und er war hart und unerbittlich.
    So zogen sie weiter, müde und taumelnd. Das Fleisch wurde knapp und die grünen Nebel immer stärker. Gnadenlos trieb Morlok an. Er sprach kaum mehr. Wer nicht mithalten konnte, blieb auf der Strecke. Einsam, den anderen meist um eine Wegstrecke voraus, ging der riesenhafte Mann. Er war alles: Führer, Denker, Jäger – ein deutlicher Mittelpunkt. Seine Schritte waren noch leicht, und jetzt erkannte Kuva, warum man ihn den »Wolf« genannt hatte. Die grauen Augen hatten noch mehr von der Farbe verloren; sie waren wie der Spiegel eines unergründlichen Wassers geworden. Nur in der Mitte leuchteten goldbraune Punkte.
    Fünfundzwanzig Tageswechsel ...
    Der Zug gelangte jetzt in eine hügelige Landschaft, die nach einer Seite flach abfiel und ans große Wasser grenzte. Es war das Tal der Wasatherden.
    Kuva konnte sich nicht sattsehen am Spiel der stürzenden Wellen. Eigenartig verkrüppelte Bäume säumten das Ufer zwischen riesigen Felsen aus grauem Stein. Morlok stieg auf einen der Felsen und zeigte den Jägern den Lagerplatz. Er lag eingebettet zwischen windabweisenden Felsblöcken und Baumreihen. Dann klangen die schweren Steinäxte, und ein vorläufiges Lager wurde

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