TTB 102: Die Wächter der Sternstation
griff nach dem Sack mit Seife und rannte auf die Stadt zu.
Gerade noch rechtzeitig. Er keuchte über die Zugbrücke, als Waygan das Signal zum zweiten- und letztenmal wiederholte. Aus Versehen stieß er den Hornisten mit seinem Sack an.
»Das hätte ich mir denken können!« meinte Waygan verächtlich. »Natürlich unser Taugenichts!«
Conrad antwortete nicht. Er stellte seinen Sack ab und ruhte sich von der Anstrengung aus. In seiner Nähe zogen einige Männer die Zugbrücke auf, deren Unterseite mit langen Stacheln versehen war, die für jedes Ding ein unüberwindbares Hindernis bildeten.
»Bist du bei deiner Seifenkocherei eingeschlafen?« erkundigte Waygan sich spöttisch. »Wie wäre es, wenn du selbst einmal etwas Seife benutzen würdest?«
»Wenn du so schlau bist«, erwiderte Conrad heftig, »kannst du mir vielleicht gelegentlich zeigen, wie man den ganzen Tag über mit Fett und Asche arbeitet und trotzdem sauber nach Hause kommt!«
»Hah!« meinte Waygan geringschätzig. »Seit wann arbeitest du den ganzen Tag über? Das ist mir wirklich neu! Dann müssen wir uns wohl vorsehen, damit Lagwich nicht unter einer Seifenlawine erstickt?«
Conrad schwieg und wandte sich ab.
»Halt! Nicht so eilig, mein Freund! Ich wollte dir noch sagen, daß du dich auf keinen Fall in der Nähe der Fremden blicken lassen sollst. Schlimm genug, daß sie zuerst dich getroffen haben! Laß dich nicht wieder bei ihnen erwischen!«
Conrad lud sich den Sack auf den Rücken und ging wütend davon. Er war zwar an Enttäuschungen gewöhnt, aber es wäre doch schön gewesen, die Besucher zu den Weisen führen zu können. Aber Waygan hatte ihn um dieses bißchen Ruhm und Ehre gebracht.
Was sollte nur aus ihm werden? Alle machten sich über ihn lustig, aber er hatte keine Schuld daran. Vielleicht war sein Vater die Ursache dafür – und doch konnte man einem kranken Mann nichts vorwerfen.
Er bemerkte, daß jetzt aus allen Häusern Menschen strömten, die offensichtlich das gleiche Ziel hatten. »Kommt mit und seht euch die Fremden an!« riefen sie einander zu. »Sie sind bei Malling! Kommt mit und seht sie euch an!«
Conrad zögerte einen Augenblick, schloß sich aber dann doch der Menge an. Yanderman war freundlich zu ihm gewesen, obwohl er bemerkt haben mußte, daß Conrad nur ein gewöhnlicher Seifensieder war. Vielleicht erkannte er ihn wieder und bedankte sich bei ihm in aller Öffentlichkeit ...
Er folgte den anderen in einigem Abstand.
*
Malling war der älteste der fünf Weisen, die innerhalb des Forts auf der Spitze des Hügels wohnten, das von einer hohen Steinmauer umgeben war. Die Masse drängte sich in dem großen Innenhof, wo Wächter Gelbay vor Mallings Haus stand und die Neugierigen zurückdrängte.
Conrad wollte sich bis in die erste Reihe vorarbeiten, als sich eine schwere Hand auf seine Schulter legte. Er drehte sich um und erkannte das hämische Grinsen um den zahnlosen Mund.
»Das ist doch mein nichtsnutziger Sohn, den die Wüste verschlingen möge!« dröhnte die Stimme seines Vaters. »Was treibst du hier? Verschwinde, du Faulpelz!«
»Warum denn?« fragte Conrad und riß sich los. »Schließlich habe ich die Fremden bis vor die Stadt geführt!«
»Hört euch nur diesen eingebildeten Laffen an!« spottete sein Vater. »Ich habe es dir befohlen – das ist Grund genug!«
»Wann haben sie dich eigentlich aus dem Gefängnis entlassen?« erkundigte Conrad sich und staunte über seine Kühnheit. »Pfui, du stinkst schon wieder nach Bier!«
Das Gesicht seines Vaters verzog sich zu einer wütenden Grimasse. Er hob den Fuß und trat nach Conrads Schienbein.
Conrad fühlte einen betäubenden Schmerz unterhalb der Kniescheibe, dann knickte sein Bein ein. Er stürzte zu Boden.
»So ist es schon besser – du kannst ja nach Hause kriechen, wenn dir das lieber ist«, meinte sein Vater. »Oder hast du noch nicht genug?«
Conrad richtete sich mühsam auf. Er bemerkte, daß einige der jungen Männer in seiner Nähe das neue Schauspiel genossen, weil sie eingesehen hatten, daß sie nicht bis an das Haus herankonnten. Conrads Vater bürgte immer für gute Unterhaltung – entweder saß er im Gefängnis, wo man ihn hänseln konnte, oder er brach einen Streit vom Zaun, bei dem er sich bereitwillig anfeuern ließ.
»He, das ist ja der Faule Conrad!« rief einer der Zuschauer.
»Was ist denn passiert? Bist du eingeschlafen und dabei gefallen, Taugenichts?«
»Warum benützt du eigentlich keine Seife für
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